Energie aus dem Wohnkraftwerk
Fotovoltaik nicht nur für Dächer: Neuerdings können auch Fassaden und Fenster zu Energielieferanten werden – mithilfe transparenter, organischer Solarzellen. Ein noch zaghaft keimender Zukunftsmarkt, in den auch die Versicherungsbranche erste Fühler ausstreckt.
Es sind zarte Pflänzchen der Zukunftsenergie, die in den Laboren von Peter Erk wachsen. Der Forscher des Chemieriesen BASF züchtet quasi im Reagenzglas eine neue Form der Fotovoltaik, die der hierzulande zuletzt gebeutelten Solarbranche zu neuer Blüte verhelfen könnte: „Die organische Fotovoltaik hat das Potenzial, zur kostengünstigsten Solarenergie zu werden.“ Davon ist der promovierte Chemiker Erk überzeugt.
Ähnlich wie Pflanzen Sauerstoff produzieren, absorbieren Farbstoffe bei seiner Technologie Licht – und wandeln es in Energie um. Und anders als die standardisierten Siliziummodule, mit denen Häuslebauer ihre Dächer bestücken, kommt die neue Technologie dünn wie Papier und biegsam wie eine Folie daher. Besonders die Entwicklungssprünge bei der organischen Fotovoltaik als neuer Generation von Dünnschichtmodulen sorgen nun für Aufsehen in puncto Effizienz und Langlebigkeit. Ein gewichtiger Vorteil der federleichten, neuen Zellen ist ihre flexible Anwendbarkeit. „Die organischen Solarzellen können nicht nur auf Dächern, sondern auch an Fassaden oder in Fenstern angebracht werden“, erklärt Erk. Durch die neue Dünnschichttechnologie können jetzt ganze Häuser zu Kraftwerken werden.
Leuchttürme einer solaren Zukunft
Mittlerweile entstehen erste Bauwerke mit gebäudeintegrierter Fotovoltaik (GIPV): Bereits vor drei Jahren präsentierte die BASF zusammen mit Partnern das „Solar Gate“, eine futuristische Bogenkonstruktion aus flexiblen Solarmodulen, die als Dach funktioniert und gleichzeitig Strom liefert. Der Nürnberger Konkurrent Belectric stattet den deutschen Pavillon bei der Weltausstellung 2015 in Mailand zusammen mit Projektpartnern wie dem Chemiekonzern Merck mit stromerzeugenden Solarbäumen aus. Errichtet werden sie mithilfe organischer Fotovoltaikmodule. Belectric rühmt es als „das erste große internationale Architekturprojekt dieser Art“.
Noch besteht die Technologie aus filigranen, solaren Luftschlössern – haben doch gebäudeintegrierte Lösungen einen Anteil von weniger als zwei Prozent am gesamten Fotovoltaikmarkt in Deutschland. „Mittel- bis langfristig könnte die Technologie als Markt aber durchaus interessant sein“, sagt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Das große Aber dabei: „Derzeit wird generell nicht investiert, weil der Staat sich mit der EEG-Reform gegen den Ausbau dieser erneuerbaren Technologie gestellt hat. Diese Botschaft ist bei den Firmen angekommen.“
Zukunftstechnik mit Potenzial
Dabei kommen Experten auf durchaus beeindruckende Zahlen, wenn sie das Potenzial der GIPV beziffern: Nach einer Studie des Bundesverbandes Bausysteme stehen allein in Deutschland 3.000 Quadratkilometer Gebäudeflächen zur Verfügung, die mit GIPV ausgerüstet werden könnten – eine Fläche, etwas größer als das Saarland. Damit wäre eine Leistung von gut 300 Gigawatt installierbar. Nahezu ein Drittel des jährlichen Strombedarfs in Deutschland wäre so über die Gebäudehülle abdeckbar. Das Umsatzpotenzial der GIPV beziffert der Verband auf etwa 800 Milliarden Euro.
Da zwischen diesem Potenzial und der Wirklichkeit noch Welten klaffen, haben die Assekuranz-Unternehmen bisher kaum Erfahrung mit gebäudeintegrierter Fotovoltaik sammeln können. „Verschwindend gering“ bei etwa einem Prozent ist das Geschäft mit gebäudeintegrierter Fotovoltaik für den Kölner Makler Gerd Rosanowske, der sich auf den Versicherungsschutz von Fotovoltaikanlagen spezialisiert hat. Noch lotet die Branche zurückhaltend, aber wachsam die Zukunftschancen der „grünen Energie“ aus.
Neue Produkte braucht es nach Meinung der beiden Experten derzeit nicht. Wie bei herkömmlichen Dachanlagen können die häufigsten Schäden – etwa bei der Montage, durch Schneelast, Blitzschlag, Sturm, Starkregen oder Hagel – durch herkömmliche Versicherungen abgedeckt werden: durch eine Montageversicherung für die Bauphase und dann die Wohngebäudeversicherung, da auch eine fassadenintegrierte Fotovoltaikanlage wie bisher als Gebäudebestandteil gilt. Rundumschutz auch gegen Vandalismus und Diebstahl bietet eine spezielle Fotovoltaikversicherung. Schließlich greift eine Ertragsausfallversicherung, wenn die Solaranlage infolge eines versicherten Sachschadens nichts mehr liefert.
Gleichzeitig denken Versicherer das Thema auch im Hinblick auf ihre Investitionen durch. Zwar haben bei Standard-Fotovoltaikmodulen chinesische Hersteller die deutschen Pioniere praktisch vom Markt gefegt. Doch trotz des solaren Kahlschlags bei den deutschen Herstellern ist das Thema „Erneuerbare“ für die Versicherungsbranche keineswegs tot, betont Tim Ockenga, Leiter Kapitalanlagen des GDV: „Wir haben ein Interesse daran, auch solare Energie zu einem wichtigen Bestandteil des Anlageportfolios zu machen.“ Noch machten die Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien weniger als ein Prozent der Kapitalanlagen aus. Für die Unternehmen der Branche sei wichtig, „dass die Investitionsobjekte eine kritische Größe in Höhe eines niedrigen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrags haben, jeweils in Abhängigkeit von der Größe des Versicherers“, betont Ockenga. Nötig sei auch ein großes Angebot solcher Projekte, damit Versicherer das Risiko gut streuen können. Bislang gebe es nur wenige davon, sagt Ockenga.
Solarenergie als Anlage
So beteiligte sich etwa die Kapitalanlagetochter der Munich Re an 42 Fotovoltaik-Anlagen in Spanien und Italien, die Gothaer investiert seit Anfang des Jahres in den europaweiten Ausbau der Solar- und Windkraftwerkparks des Wörrstädter Unternehmens juwi IPP. Und auch die Allianz ist bei sieben Fotovoltaikparks in Deutschland, Frankreich und Italien mit dabei. Man würde gern mehr tun, heißt es aus München. Doch unsichere politische Rahmenbedingungen zwingen zu Zurückhaltung. Dabei passt das Geschäft – mit langfristigen Investitionen und stabilen Renditen – eigentlich gut zu Versicherern mit ihren hohen Risiko- und Renditeanforderungen, besonders wenn es um die Altersvorsorge der Kunden geht.
Zum kleinteiligen, gerade erst entstehenden Nischengeschäft mit gebäudeintegrierter Fotovoltaik hat Ockenga angesichts der geringen Summen bislang keine Erkenntnisse. Gleichwohl: Versicherungsunternehmen fördern mit Hypothekendarlehen schon heute die energetische Sanierung von Häusern. Seit zwei Jahren dürfen Assekuranz- Unternehmen beispielsweise direkt KfW-Kredite vergeben, die für die Modernisierung von Gebäuden verwendet werden können. GDV-Mann Ockenga betont: „Viele Menschen erleben hier das Engagement von Versicherern für erneuerbare Energien hautnah.“
Text: Lukas Grasberger
Bild: Getty Images, Bosch/BASF, Fraunhofer ISE