Ein großer zivilisatorischer Erfolg Link kopieren
Die Menschen in Deutschland leben immer länger. So hat sich die Lebenserwartung seit Ende des 19. Jahrhunderts mehr als verdoppelt. Betrug sie um 1880 für Neugeborene noch 41 Jahre (Jungen) beziehungsweise 44 Jahre (Mädchen), so können neugeborene Jungen inzwischen auf durchschnittlich 90 Jahre hoffen, Mädchen gar auf knapp 93 Jahre.
Der Anstieg der Lebenserwartung ist ein großer zivilisatorischer Erfolg, der viele Ursachen hat. Medizinische Fortschritte spielen eine große Rolle, aber auch die besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie das gestiegene Gesundheitsbewusstsein der Menschen. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts ist damit zum ersten Mal das entstanden, was Soziologen „sichere Lebenszeit“ nennen.
Es gibt den Menschen die Chance, langfristige Pläne schmieden zu können. Es bedeutet, mehr Zeit zur Selbstverwirklichung und für die persönliche Entfaltung zu haben: für die Ausbildung, für Reisen oder Hobbys. Und es bedeutet Entschleunigung und mehr Flexibilität im Leben.
Auch, weil sich die hintere Lebensphase deutlich verlängert: der Ruhestand. Als die gesetzliche Rentenversicherung 1891 in Deutschland eingeführt wurde, erreichte überhaupt nur ein Drittel der Menschen das Renteneintrittsalter, das damals noch bei 70 Jahren lag. Von den heute Geborenen in Deutschland vollenden mehr als 90 (!) Prozent das 67. Lebensjahr. Und diejenigen, die es schaffen, haben dann noch etwa 25 Jahre vor sich. Im Durchschnitt wohlgemerkt.
Für Soziologen passt die traditionelle Dreiteilung des Lebens in Kindheit, Erwachsenenalter und Rente daher längst nicht mehr. Sie sehen eine vierte Phase angebrochen: die Alterspubertät. Gemeint ist die Zeit zwischen dem Beginn des Ruhestands und dem Zeitpunkt, an dem die körperlichen Einschränkungen so groß sind, dass man wirklich sagt: „Jetzt bin ich alt.“ Es ist eine aktive Phase, eine Zeit der Selbstverwirklichung und des Nachholens verpasster Gelegenheiten. Eine Phase also, die auch noch mit hohen finanziellen Ansprüchen verbunden ist.