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© Marcus Woodbridge / Unsplash

Dossier: Naturgefahren

Seit jeher sind Gesellschaften Naturgefahren und Naturkatastrophen ausgesetzt, die Menschen gefährden und Sachwerte zerstören. Mit dem Klimawandel nehmen Naturgefahren und Wetterextreme jedoch dramatisch zu. Auch Deutschland muss sich auf mehr und intensivere Dürren, Hitzewellen, Stürme, Hagel, Starkregen und Überschwemmungen einstellen. Das Ausmaß der Schäden nimmt zu.

14.03.2024
Naturgefahrenreport 2023

Der Klimawandel hat längst begonnen Link kopieren

Der einsame Eisbär auf der Scholle – mit diesem fast schon ikonischen Bild ist der Klimawandel mit seinen Folgen für viele von uns  verbunden. Ein Bild, das eine drohende Entwicklung weit weg von uns zeigt.

Doch der Klimawandel ist sehr nah. Das haben die Katastrophen dieses Jahres gezeigt. Die vielen Bilder von Sturmschäden,  Hochwasser, Waldbränden, vertrockneten Feldern und ungewöhnlich großen Hagelkörnern, alles hier bei uns in Deutschland und Europa. Spätestens jetzt ist ganz unmittelbar deutlich, dass der Klimawandel längst begonnen hat, die wohl größte Herausforderung unserer Zeit.

Wir müssen den Klimawandel bremsen, wo es geht, und ihn gestalten, wo er nicht mehr aufzuhalten ist. Das ist die dringendste Aufgabe unserer und künftiger Generationen. Weil es inzwischen so viele Bilder sind und ständig neue hinzukommen – zuletzt von den Überschwemmungskatastrophen in Griechenland und Libyen –, wird immer greifbarer, was nicht nur der Erde insgesamt bevorsteht, wenn wir nicht gegensteuern. Sondern was der Klimawandel für unseren Alltag bedeutet. Ganz praktisch. Das dürfte vielen Menschen so gehen.

Mit der Frage befasst sich unser neuer Naturgefahrenreport. Wie verändert sich unser Leben in einer Welt, die immer wärmer wird?  Schauen wir nur auf den vergangenen Juli, der weltweit so heiß war wie noch nie. Wie können und wollen wir künftig leben, in aufgeheizten Städten und auf dem von Trockenheit geplagten Land? Klimaangepasstes Bauen, nachhaltiges Wirtschaften, nicht mehr gegen die Natur handeln, sondern im Einklang mit ihr. Das alles gehört schon lange zum kleinen Einmaleins der Versicherer, auf allen Ebenen. Natürlich vor allem, um Katastrophen zu verhindern und teure Schäden zu vermeiden, die unseren Sektor womöglich irgendwann an seine Grenzen bringen. Aber auch aus einer Verantwortung heraus. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft können nicht einfach so weitermachen wie bisher. Dazu ist uns das bisher Unvorstellbare längst zu nahe.

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 Es gibt viele gute Ideen und Modelle, wie wir den Folgen des Klimawandels begegnen können. Über einige lesen Sie hier im  Naturgefahrenreport. Wie lernen zum Beispiel die klimaresilienten Bäume, die in den Baumschulen der niedersächsischen Provinz gezüchtet werden. Ginkgos, Amberbäume und Hainbuchen, die Hitze und Trockenheit gut vertragen und später in Berlin, Paris oder London für ein angenehmeres urbanes Klima sorgen.

Wie machen sich Deutschlands Städte und Gemeinden zukunftsfähig? Ein ganzes Kapitel ist diesem komplexen Thema gewidmet und zeigt auch ein Beispiel aus meiner Heimat Kiel, die erste Zero-Waste-City Deutschlands werden möchte.

Eine umfassende Sammlung mit Daten und Statistiken ergänzt den Naturgefahrenreport. 

Die Grundlage für alle Anstrengungen, mit den Risiken des Klimawandels umzugehen, liegt in der Prävention. Wir Versicherer verstehen uns dabei als starke gesellschaftliche Impulsgeber, als wirtschaftliche Treiber und Partner für die Wissenschaft. 

Wissenschaftliche Perspektive

Deutschland muss sich auf heftigere Unwetter und Naturgefahren einstellen Link kopieren

Der aktuelle IPCC-Sachstandsbericht sagt für Europa extreme Hitze und Wasserknappheit, vor allem aber Überflutungen voraus.

Starkregen und Überschwemmungen: 2021 haben die deutschen Versicherer mit 12,6 Milliarden Euro das höchste Schadenaufkommen für Naturgefahren ihrer Geschichte verzeichnet. Das Jahr war geprägt durch eine Serie von Unwettern im Juni mit schwerem Hagel und vor allem durch die Juli-Flut mit allein 8,5 Mrd. Euro versichertem Schaden. Großflächige Überschwemmungen gab es zuletzt immer häufiger, etwa 2002 und 2013, aber auch lokale Hochwasser wie 2014 in Münster oder 2016 in Simbach am Inn und Braunsbach. Fakt ist: Jeder Ort in Deutschland ist von Starkregen betroffen. Fällt er auf bebaute Flächen oder in der Nähe besiedelter Gebiete, kann er enorme Schäden anrichten.

Hitze und Dürre: 2022 hingegen ist ein überdurchschnittliches Dürre- und Hitzejahr. Es gab mehr heiße Tage über 30 Grad als im Gesamtjahresdurchschnitt von 11,1 Tagen der vergangenen zehn Jahre. Daneben wurden Rekordtemperaturen von bis zu 40 Grad Celsius gemessen. Die Folgen sind dramatisch: Überall fehlt Wasser, die Flusspegel sinken, es kommt zu schweren Waldbränden. Bleibt der Regen aus, hat dies auch Folgen für die Landwirtschaft und die Ernteerträge. Der Trend ist dabei eindeutig: Hitzetage nehmen seit den 1980er Jahren dramatisch zu, wie eine Auswertung im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft zeigt.

Deutschland muss sich auf mehr Naturgefahren und Wetterextreme einstellen und Strategien entwickeln, um Menschen, Sachwerte und Infrastruktur langfristig zu schützen. 

Branchen-Perspektive

Versicherer können Risiken von Naturgefahren einschätzen Link kopieren

Versicherer müssen die Risiken von Naturgefahren und Wetterextremen sehr genau kennen. Auf Basis langjähriger Schadenstatistiken berechnen sie Schadenwahrscheinlichkeit und mögliche Schadenhöhen und kalkulieren so ihre Versicherungsprodukte. Zugleich blicken Versicherer aber auch nach vorne, um Entwicklungen zu antizipieren.

Durch wissenschaftliche Studien und Untersuchungen erlangen Versicherer ein besseres Verständnis darüber, wo und wann Naturgefahren auftreten und welche Schäden sie verursachen. So zeigt eine Untersuchung zu Starkregen mit dem Deutschen Wetterdienst, dass das Ausmaß von Starkregenschäden an Gebäuden wesentlich von ihrer Lage abhängt. Zudem wurde ermittelt, wo in Deutschland die meisten Gebäude stehen, die durch ihre geografische Lage durch unwetterartige Regenfälle hoch gefährdet sind.

„Starkregen kann überall auftreten und hohe Schäden verursachen. Je tiefer ein Gebäude liegt, je länger das Wasser darinsteht, desto höher ist der Schaden. Inzwischen können wir für jedes Gebäude diese Gefährdung berechnen.“
Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer, Geschäftsführendes Mitglied des Präsidiums

Das Überschwemmungs- und Starkregenrisiko können Versicherer für jede Adresse in Deutschland sehr gut mit dem Geo-Informationssystem ZÜRS Geo ermitteln. In das System wurden Geoinformationen von insgesamt über 22 Millionen Adressen eingespeist.

Ihr umfangreiches Wissen zu den Schäden durch Naturgefahren stellen Versicherer Immobilienbesitzer/-innen und Mieter/-innen unter anderem mit dem Naturgefahren-Check zur Verfügung. Mit dem Online-Tool erhalten sie eine erste Einschätzung, wie hoch ihre persönliche Gefährdung durch Naturgefahren ist und welche Präventionsmaßnahmen an ihrem Haus notwendig und sinnvoll sind.

Zur Absicherung von Naturgefahren ist eine Elementarschadenversicherung notwendig. Sie schützt Eigentümer/-innen und Mieter/-innen vor den finanziellen Folgen von Naturereignissen. Versichert sind in der Regel Schäden durch: Starkregen/ Überschwemmung/Rückstau, Hochwasser, Schneedruck, Lawinen/Erdrutsch, Erdsenkung, Erdbeben und Vulkanausbruch. Bislang sind jedoch nur etwa die Hälfte der Gebäude in Deutschland ausreichend gegen Naturgefahren versichert.

Doch Versicherungsschutz allein reicht nicht aus. Um in Zukunft weitere Katastrophen zu vermeiden, Schäden zu mindern und langfristig bezahlbaren Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten, muss sich Deutschland  mit Schadenprävention auf allen Ebenen den Klimafolgen anpassen. Anderenfalls werden weitere Katastrophen folgen, die Leben gefährden und eine Spirale aus steigenden Schäden und steigenden Versicherungsprämien in Gang setzen.

Verbraucher-Perspektive

Wie sich Hausbesitzer/-innen auf Naturgefahren einstellen können Link kopieren

Viele Hausbesitzer/-innen unterschätzen nach wie vor ihr eigenes Risiko. Trotz der großen Flutereignisse der letzten Jahre glauben viele nicht, selbst je von einer Überflutung betroffen zu sein und vernachlässigen Prävention und Versicherungsschutz. Häufig ist nicht bekannt, dass ihre Wohngebäudeversicherung zwar vor Feuer und Sturm, jedoch nicht bei Naturgefahren einspringt.

Jedem zweiten Hausbesitzer fehlt der entscheidende Zusatzbaustein für weitere Naturgefahren, die so genannte  Elementarschadenversicherung. Hausbesitzer/-innen und Mieter/-innen können sich damit gegen die finanziellen Folgen von Schäden durch Naturkatastrophen absichern. Genauso wichtig, wie eine Elementarversicherung ist Prävention, um das eigene Haus vor Naturkatastrophen zu schützen, Schäden zu verhindern und das Haus klimafit zu machen. Wer neu baut, sollte den Schutz vor Sturm, Hagel, Starkregen und Überschwemmung mit denken und beispielsweise nur Baumaterialien verwenden, die Naturkatastrophen standhalten. Erhöhte Eingänge und Barrieren am Grundstückseingang und Rückstauventile widerstehen Starkregen und Hochwasser. Begrünte Dächer und Fassaden mindern an heißen Tagen die Hitze, sie speichern zudem bis zu 80 Prozent Regenwasser und verdunsten es langsam wieder. Das entlastet die Kläranlagen und sorgt für ein ausgeglicheneres Klima. Zudem produzieren sie Sauerstoff und die verschmutzte Luft wird gefiltert. Auch bestehende Häuser lassen sich nachrüsten.

Bevor es an die Umsetzung der Präventionsmaßnahmen geht, sollte ein Risikocheck des Hauses durchgeführt werden.

Risi­kocheck für das Haus

  • Welche Schäden haben Unwetter in meiner Region verursacht? 
    Informationen dazu liefert der adressgenaue Hochwasser-Check der GDV. Für eine detaillierte Analyse empfiehlt sich der Blick aufs und ins Gebäude selbst – und ein Gespräch mit den Versicherungsfachleuten.
  • Check bei Starkregen: Liegt das Gebäude am niedrigsten Punkt des Geländes? Sind Keller und Erdgeschoss ausreichend vor eindringendem Wasser geschützt?
  • Bei Sturm/Hagel: Sind Bäume in Gebäudenähe? Sind Solaranlagen, Dachvorstände, Fassade ausreichend geschützt? Ist das Dach intakt?

Grundsätzlich: Verfügt das Haus über eine Wohngebäude- und eine Hausratversicherung und zusätzlich über eine erweiterte Elementarversicherung für beide?

Daten-Perspektive

Naturgefahren: Forschungsprojekt der Versicherer Link kopieren

Versicherer müssen die Risiken, die sie versichern genau kennen. Zum besseren Verständnis von Naturgefahren hat der GDV verschiedene Studien durchgeführt oder beauftragt. Für ein gemeinsames Forschungsprojekt Starkregen lieferte der Deutsche Wetterdienst die Daten zu den Regenmengen in Deutschland. Der GDV identifizierte, auf welche Landschaftsformen der Regen fällt, wie sich das Wasser dort typischerweise verhält und welche Schäden Starkregen anrichtet. Das Ergebnis: Schäden entstehen vor allem durch kurze, heftige Starkregen, die an jedem Ort in Deutschland mit ähnlich hoher Wahrscheinlichkeit auftreten.

Wie hoch die Schäden durch Starkregen ausfallen, ist nicht nur von der Regenmenge, sondern auch von der Lages des Gebäudes abhängig. Denn: je tiefer ein Gebäude liegt, je länger das Wasser darin steht, desto höher ist der Schaden.  Aus den Ergebnissen hat der GDV u.a. drei Starkregengefährdungsklassen entwickelt und in das Geoinformationssystem „ZÜRS Geo“ intergiert.

Gemeinsam mit VdS Schadenverhütung hat der GDV eine Studie zur Versiegelung der 50 einwohnerstärksten Städte Deutschlands durchgeführt. Die zunehmende Bebauungsdichte spielt angesichts der zunehmenden Gefahr extremer Niederschläge eine immer wichtigere Rolle. Unter klar definierten Kriterien wurde für jede Stadt ein Versiegelungsgrad berechnet.

„Je mehr Flächen bebaut sind, desto weniger Wasser kann im Boden versickern und desto mehr fließt oberflächlich ab.“
Anja Käfer-Rohrbach, Stellv. GDV-Hauptgeschäftsführerin

Die Kanalnetze in den Städten sind für extreme Niederschläge nicht ausgerichtet, deshalb kommt es bei Starkregen häufig zu Überflutungen. Aus den Studienergebnisse lassen sich unter anderem auch Forderungen an Städteplaner ableiten.

Es gibt Konzepte wie das der Schwammstadt, die Städtebau und Starkregenschutz miteinander in Einklang bringen. Dazu gehören etwa begrünte Dächer oder zusätzliche Rückhaltebecken, die das Wasser zwischenspeichern. Zudem können Spiel- oder Fußballplätze temporär als Überflutungsflächen dienen, wo das Regenwasser versickern kann.

Eine Untersuchung mit dem Deutschen Wetterdienst zur Entwicklung der Hitzetage in Deutschland ergab, dass sich die Zahl der Hitzetage über 30 Grad in den vergangenen Jahrzehnten verdreifacht hat. Pro Jahrzehnt kamen durchschnittlich 2,3 Hitzetage hinzu. Aufgrund der globalen Erderwärmung ist die Zahl heißer Tage besonders in den 1980er Jahren dramatisch gestiegen. Da die aufgeheizte Atmosphäre mehr Feuchtigkeit speichert, steigt zugleich die Gefahr von mehr und intensiveren Starkregen, Hochwassern und Sturzfluten. Nicht zuletzt verschlechtert zunehmende Dürre die Anbaubedingungen in der Landwirtschaft, wie ein Langfristvergleich im Auftrag des GDV zeigt.

„Die dynamische Zunahme der Hitzetage zeigt, dass der Klimawandel auch in Deutschland deutliche Spuren hinterlässt.“
Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer, Geschäftsführendes Mitglied des Präsidiums
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