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Dossier Biodiversität

Dossier: Biodiversität

Der Verlust von biologischer Vielfalt (Artenvielfalt, Ökosysteme, genetische Vielfalt) gefährdet die Lebens- und Erwerbsgrundlagen der Menschheit. Gründe für die abnehmende Biodiversität sind ein sich veränderndes Klima aber auch sich wandelnde Ansprüche an die Umwelt. So ist rund die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung von natürlichen Ressourcen und Leistungen abhängig. Stabile Ökosysteme schützen die Menschen vor den negativen Auswirkungen sich verändernder Umweltbedingungen. Der Schutz von Biodiversität und natürlicher Vielfalt gehört daher zu einem vorausschauenden Risikomanagement von Versicherungen.

13.09.2022
Aktuelles Geschehen

Klimawandel und nicht-nachhaltiger Ressourcenverbrauch bedrohen Biodiversität, Artenvielfalt und wichtige Ökosysteme Link kopieren

Ob wir in der Stadt oder auf dem Land leben - für viele gibt es einen bestimmten Ort in der Natur, den sie seit ihrer Kindheit kennen, eine Landschaft, die besonders vertraut ist. Überall in der Welt gibt es Naturdenkmäler oder Tiere, die einen hohen kulturellen Wert haben, sogar heilig sind. Zum Entspannen zieht es uns in den Wald, ans Meer oder in die Berge. Frische Luft, Trinkwasser, Nahrung, medizinische Wirkstoffe und Rohstoffe für die Produktion – all das stammt aus der Natur. Voraussetzung für ein Leben von, mit und in der Natur sind ein intaktes Klima und eine geschützte Umwelt. Klimawandel und die Verstädterung der Naturlandschaften bedrohen Diversität und Artenschutz. Weltweit ist der Verlust an natürlicher Vielfalt dramatisch. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental science-policy platform for biodiversity and ecosystem services) zog 2019 eine verheerende Bilanz:

  • Bis zu eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht, viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten.
  • Das Artensterben ist heute mindestens zehn- bis einhundertmal höher als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre.
  • Die Hälfte der lebenden Korallen ist seit 1870 verschwunden.
  • Die weltweite Waldfläche beträgt nur 68 % im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter.
  • 75 % der Landoberfläche und 66 % der Meeresfläche sind durch menschlichen Einfluss verändert.
  • Über 85 % der Feuchtgebiete sind in den letzten 300 Jahren verloren gegangen.

Erst nach und nach wächst das Bewusstsein dafür, dass die Bekämpfung des Klimawandels sowie Naturschutz und die Bewahrung von Ökosystemen Hand in Hand gehen und in höchstem Maße voneinander abhängig sind. Der Schutz von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen ist elementar für die nachhaltige Transformation und zahlt auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen ein. Wie abhängig die Produktion von Ökosystemdienstleistungen ist, hat das World Monitoring Center for Conservation der Vereinten Nationen (UNEP-WCMC) für mehr als 500 Wirtschaftssektoren gezeigt. Mehr als 50 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung sind mittel bis stark abhängig von funktionierenden Ökosystemdienstleistungen. Je nach Land kann diese Abhängigkeit auch noch höher ausfallen.

Ein Forschungsteam der Universität Amsterdam hat abgeschätzt, dass 64 Millionen Quadratkilometer Land unter Schutz gestellt werden müssten, um den dramatischen Rückgang von Biodiversität und Artenvielfalt zu stoppen. Die Fläche entspricht 44 Prozent des weltweit verfügbaren Lands. Dazu kommt der dringend notwendige Schutz der Artenvielfalt in den Weltmeeren.

Auf Ebene der Vereinten Nationen arbeiten die Staaten daher an einem Post-2020 Biodiversity Framework zur Weiterentwicklung von Zielen der Convention on Biological Diversity (CBD). Die CBD ist das wichtigste multilaterale Vertragswerk für den Schutz von Artenvielfalt auf der Erde. Ziel ist es, bis 2050 den Rückgang an Biodiversität zu bremsen oder sogar umzukehren.

Politische Perspektive

Schutz von Biodiversität und Vielfalt – weltweit und national ein wichtiges Thema Link kopieren

Die bedeutenste internationale Grundlage für den Schutz der Artenvielfalt stellt die UN-Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity) dar, die 1992 auf dem „Erdgipfel“ in Rio de Janeiro von 192 Mitgliedsstaaten beschlossen und unterzeichnet wurde. Weitere internationale Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt sind die Ramsar-Konvention und das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES). In der UN-Biodiversitätskonvention haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Die drei Hauptziele sind: Der Schutz der Biodiversität, ihre nachhaltige Nutzung und der gerechte Ausgleich der sich aus der Nutzung (genetischer) Ressourcen ergebenden Vorteile.

2012 wurde der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystems Services) mit Sitz in Bonn gegründet, um den 129 (Zahl überprüfen) Mitgliedsstaaten bei politischen Entscheidungsprozessen wissenschaftlich legitimierte und glaubwürdige Informationen über die Erhaltung und Nutzung von Biodiversität und Ökosystemen zu liefern.

Die Europäische Kommission hat 2020 als Teil des Green Deals eine neue Biodiversitätsstrategie 2030 beschlossen, nachdem der erste Aktionszeitraum von 2011 bis 2020 ausgelaufen war. Biodiversität ist auch ein Ziel der Taxonomie, mit der festgelegt wird, welche unternehmerischen Aktivitäten nachhaltig sind und welche nicht. Allerdings sind die technischen Screening Kriterien hierzu bisher nicht erarbeitet, so dass dieses Ziel von den Unternehmen noch nicht operationalisiert werden kann.

Für die seit 2021 regierende Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist der Erhalt von Artenvielfalt zusammen mit dem Schutz von Klima und Umwelt eine Menschheitsaufgabe und ethische Verpflichtung. Die Bundesregierung will sich auf internationaler Ebene engagiert einbringen und das finanzielle Engagement für das Verfolgen der Ziele erheblich erhöhen. Es wird das Ziel der Konvention für biologische Vielfalt verfolgt, wonach 30 % aller Flächen (Land und Meer) als Schutzgebiete ausgewiesen werden sollen. Mit einem Bündel von verschiedenen Maßnahmen soll zudem der natürliche Klimaschutz ausgebaut werden. 
 

Branchen-Perspektive

Warum der Erhalt von Biodiversität und Artenvielfalt für die Versicherer so wichtig ist Link kopieren

Was der Verlust an Biodiversität für die Menschen, die Wirtschaft und damit auch für Versicherer bedeutet, wird erst allmählich klar. Doch angesichts des rasanten Artensterbens abzuwarten, ist keine Lösung. Das Aussterben von Tierarten und ihr Verlust für ein Ökosystem, die Umnutzung natürlicher Lebensräume durch Menschen können nicht rückgängig gemacht werden. Derzeit entstehen erste Analysen, welchen (neuen) Risiken Versicherer dadurch ausgesetzt sind.

Klar ist bereits, dass der Erhalt von naturbelassenen Ökosystemen ein wichtiger Beitrag zu natürlichem Risikoschutz ist. Eine leistungsfähige blaue und grüne Infrastruktur spielt eine große Rolle, um Erdrutsche zu verhindern, den Folgen von Sturmfluten oder Überschwemmungen vorzubeugen, Schäden durch Dürren und Waldbrände einzudämmen. Wo es Wälder und Bäume gibt, sind Atemwegserkrankungen weniger verbreitet. Biodiversitätsschutz ist also für verantwortungsvoll handelnde Unternehmen nicht nur eine ethische Aufgabe, sondern eine Investition in die Zukunft. Versicherer suchen deshalb nach Wegen, wie sie „nature-based solutions“ unterstützen können.

Versicherer bieten bereits Lösungen zum Schutz der Umwelt an, etwa als Baustein im Rahmen einer Betriebshaftlichtversicherung. Umweltschäden, die durch betriebliche Tätigkeit entstanden sind, werden dann umgehend fachgerecht behoben. Mit besonderen parametrischen Versicherungen kann heutzutage sogar die Wiederherstellung von Korallenriffen nach Orkanen versichert werden. Viele Versicherer engagieren sich in Projekten für Artenvielfalt und gesunde Ökosysteme, sei es mit Streuobstwiesen, Bienenstöcken oder Wiederaufforstung von sturmgeschädigten Wäldern.

Darüber hinaus arbeitet die Branche über den GDV am Runden Tisch Meeresmüll mit. Ziel dieses Netzwerkes ist die Verminderung von Müll in den Meeren, ein wichtiger Beitrag zum Schutz der sensiblen maritimen Ökosysteme. Im Rahmen der Principles of Sustainable Insurance (PSI), die der GDV als supporting insitution unterzeichnet hat, wurde ein Praxisguide zum Schutz des UN Weltkulturerbes  (PDF) erarbeitet.

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