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Thema Gesellschaft (© pexels)

Dossier: Demografie

Die gute Nachricht: Die Menschen in Deutschland leben immer länger, dank des medizinischen Fortschritts und insgesamt gesünderer Lebensbedingungen. Das Problem: Es kommen weniger Junge nach. Die Herausforderungen dieser demografischen Entwicklung sind vielfältig: Auf dem Arbeitsmarkt fehlen Fach- und zunehmend sogar Hilfskräfte – das gefährdet unseren Wohlstand. Mehr ältere Menschen verändern auch die Nachfrage: Gesundheits- und andere Dienstleistungen werden wichtiger. Und vor allem stellt sich die Frage: Wer versorgt die Älteren, wenn sie sich selbst nicht mehr versorgen können? Und wohin steuert unser Rentensystem?

13.09.2022
Aktuelles Geschehen

2035 ist ein Fünftel der Deutschen im Rentenalter Link kopieren

In Deutschland wird es bis 2035 wesentlich mehr Menschen im Rentenalter geben. Die Zahl der Personen im Alter ab 67 Jahren wird zwischen 2020 und 2035 um 22 % von 16 Millionen auf voraussichtlich 20 Millionen steigen, hat das Statistische Bundesamt berechnet. Auf 100 Menschen zwischen 20 und 66 Jahren würden dann 41 bis 43 Menschen im Rentenalter kommen. Aktuell sind es nur 31. 

Die Entwicklung der Altersstruktur hat im wesentlichen zwei Gründe: Die Lebenserwartung steigt, während Frauen im Laufe ihres Lebens tendenziell weniger Kinder zur Welt bringen als in früheren Generationen. Zwar gab es – offenbar durch die Corona-Pandemie bedingt – jüngst gegenläufige Entwicklungen. So wies das Statistische Bundesamt für das Jahr 2021 steigende Geburtenziffern bei einem Rückgang der Lebenserwartung aus: Für im Jahr 2021 neu geborene Mädchen sank die Lebenserwartung demnach um 0,4 Jahre auf 83,2 Jahre, für Jungen um 0,6 auf 78,2 Jahre.

Allerdings ist dies eine Momentaufnahme – die Berechnungen berücksichtigen nicht, wie sich die Sterblichkeit und weitere Lebenserwartung in den kommenden Jahren entwickeln wird: Bei Geburt ist die statistische Lebenserwartung eines Menschen geringer als im Alter von zehn Jahren. Der Grund: Säuglinge haben ein höheres Sterberisiko als Kleinkinder. Auch später im Leben schwankt das Risiko.

Gesellschaftliche Perspektive

Generationenvertrag stößt an seine Grenzen Link kopieren

Die gesetzliche Rente in Deutschland wird im Wesentlichen aus den Beiträgen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finanziert, hinzu kommen Steuerzuschüsse. Renten werden aus den laufenden Einnahmen finanziert, einen dauerhaften Kapitalstock baut die Rentenkasse nicht auf. Die alternde Bevölkerung bringt dieses System allmählich in Schieflage: Je weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter in die Rentenkasse einzahlen, desto schwieriger wird es, die Renten der tendenziell wachsenden Bevölkerungsgruppe im Rentenalter zu bezahlen. Zwar gibt es verschiedene Stellschrauben, mit denen das System wieder stabilisert werden könnte. Zur Entlastung der jüngeren Generation könnte das Rentenalter heraufgesetzt werden, auch ein langsamerer Anstieg der Rentenhöhe wäre eine Möglichkeit. Beide Optionen dürften aber nur schwer durchsetzbar sein. Entlastung könnte auch die forcierte Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte nach Deutschland bringen – allerdings müssten diese schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Zudem werden auch diese Arbeitskräfte später eine Rente bekommen, die finanziert werden will.

Politische Perspektive

Politik will mehr Kapitaldeckung Link kopieren

Auch die Politik sieht die Belastungsgrenzen der umlagefinanzierten Rente. Die Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, einerseits den künftigen Rentenanstieg zu begrenzen, andererseits das System mit einer zusätzlichen Kapitaldeckung – der so genannten Aktienrente - zu stärken. Auch bei der zusätzlichen Altersvorsorge sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf.   Der Koalitionsvertrag stellt eine grundlegende Reform der privaten Altersvorsorge in Aussicht. Dabei sollen künftig alle Erwerbstätigen, also auch Selbstständige unterstützt werden – ein wichtiger Beitrag, damit eine durchgängige Vorsorge auch bei flexiblen Erwerbsbiografien möglich ist.

Der demografische Wandel ist nicht nur für das Rentensystem und den Arbeitsmarkt insgesamt eine Herausforderung. Die Politik muss zudem darauf reagieren, dass die Bevölkerung in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich stark von der Entwicklung betroffen ist. Während in den Metropolen der allgemeine Zuzug weiterhin für einen wachsenden Bedarf an Wohnungen, Schul- und Kindergartenplätzen und auch Verkehrsinfrastruktur sorgt, ist das in einer ländlichen Region mit einer oft überdurchschnittlich alten Bevölkerung anders. Hier sind andere Ressourcen knapp, beispielsweise in der medizinischen Versorgung.   

Branchen-Perspektive

Chancen und Risiken ausbalancieren Link kopieren

Besonders dringlich ist bei anhaltend niedrigen Zinsen, Sicherheit und Renditechancen für die Vorsorgenden in eine neue Balance zu bringen. Dazu muss der gesetzlich geforderte 100-prozentige Beitragserhalt flexibler werden. Eine Vorgabe von zum Beispiel 80 Prozent würde bereits attraktive Investitionsmöglichkeiten zulassen und weiterhin Stabilität und Planbarkeit gewährleisten. Privatwirtschaftliche Standardprodukte ohne komplizierte Wahlmöglichkeiten, die einfach beziehungsweise voll digital zu beraten sind und entsprechend kostengünstiger angeboten werden können, sollten Teil einer Reform sein. Den Staat braucht es als Anbieter dafür nicht.

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