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Dossier: Finanzstabilität (© Unsplash/Tech Daily)

Dossier: Finanzstabilität

Stabilität und Leistungsfähigkeit des Finanzsystems sind von zentraler Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft. Mit den vielseitigen Herausforderungen ist das Finanzsystem weiterhin einer großen Belastungsprobe ausgesetzt. Hier finden Sie einen kurzen Überblick über das Themenfeld Finanzstabilität aus der Perspektive der Versicherungswirtschaft.

13.09.2024
Aktuelles Geschehen

Aktuelle Risikolage verbessert, mittelfristige Risiken bleiben hoch Link kopieren

Mit der erfolgreichen Bekämpfung der hohen Inflation und den ersten Zinssenkungen der EZB hat sich die aktuelle Stabilitätslage des Finanzsystems weiter verbessert. Die mittelfristigen Risiken im Finanzsystem bleiben aber erhöht. Die schweren geopolitischen Konflikte, die Wachstumsschwäche in Deutschland und im Euroraum sowie die hohe Unsicherheit über die weitere makrofinanzielle Entwicklung bleiben wichtige Risikotreiber. Vor allem das Risiko von abrupten Preiskorrekturen an den Finanzmärkten ist nach wie vor hoch. Systemische Risiken werden u. a. im Gewerbeimmobiliensektor gesehen, der von einer Kombination aus negativen zyklischen und strukturellen Faktoren wie verstärktes Homeoffice betroffen ist. Angesichts der geopolitischen Lage und der rapiden technologischen Entwicklungen haben sich auch die Cyberrisiken zu einem zentralen systemischen Risiko entwickelt. 

Die Finanzinstitutionen haben in den herausfordernden letzten Jahren ihre Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt. Der Versicherungssektor hat sich als sehr robust erwiesen. Hervorzuheben ist u. a. die sehr solide Solvenzlage. In der Juli-Ausgabe ihres vierteljährlichen Insurance Risk Dashboard bewertet die EIOPA die aktuelle Risikolage der Versicherungswirtschaft gegenüber dem Vorquartal als nahezu unverändert auf mittlerem Niveau. In neun der zehn Risikorubriken des Dashboards werden die Risiken als moderat eingestuft. Die Marktrisiken der Versicherer werden weiterhin mit „hoch“ (zweithöchste Risikostufe) bewertet. Zugrunde liegen hier u. a. mögliche Verwundbarkeiten aus Gewerbeimmobilien-Anlagen. Mögliche systemische Risiken in diesem Bereich werden von den makroprudenziellen Aufsehern aber als beherrschbar angesehen.  

Mehr erfahren Sie in unserer aktuellen Ausgabe der Financial Stability Perspectives.

Politische Perspektive

Effektiver Aufsichtsrahmen zur Finanzstabilität Link kopieren

Eine wichtige Lehre aus der globalen Finanzkrise von 2008 war die Erkenntnis, dass systemische Risiken und die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes von Regulierern und Aufsehern im Vorfeld zu wenig beachtet worden waren. Ein zentraler Pfeiler der Regulierungsreformen des letzten Jahrzehnts war daher die Errichtung eines umfassenden makroprudenziellen Aufsichtsrahmens zur Sicherung der Finanzstabilität.

Mit dem Ziel der frühzeitigen Identifikation und Bewertung potenzieller systemischer Risiken haben die makroprudenziellen Aufseher – Zentralbanken, Aufsichtsbehörden, Ausschüsse für Finanzstabilität – ihre makroprudenzielle Überwachung in den letzten Jahren stark ausgeweitet. Neben der Heranziehung von Erkenntnissen aus der mikroprudenziellen Aufsicht über die einzelnen Finanzinstitute wurde dafür ein vielfältiges Instrumentarium etabliert. Dieses reicht von regelmäßigen Finanzstabilitätsberichten, Risk Dashboards auf Basis von Indikatorensystemen, Stresstests und Szenariorechnungen bis hin zu situativen qualitativen oder quantitativen Erhebungen und vertieften Analysen, wie aktuell etwa zu den Auswirkungen der Inflation.

Um identifizierte systemische Risiken adressieren zu können, stehen umfangreiche Aufsichtsinstrumente zur Verfügung. So wurde mit dem „Holistic Framework for systemic risk in the insurance industry“ 2019 ein umfassender makroprudenzieller Rahmen für die Versicherungswirtschaft eingeführt.

Vor dem Hintergrund erhöhter Risiken für die Stabilität des Finanzsystems setzt sich die Weiterentwicklung des makroprudenziellen Aufsichtsrahmens fort. Im Dezember 2023 konnte in der EU eine politische Einigung über die Reform von Solvency II erzielt werden. Damit werden u. a. neue makroprudenzielle Instrumente in das europäische Versicherungsaufsichtssystem aufgenommen. Auch im Hinblick auf die Integration von Klimarisiken in die makroprudenzielle Aufsicht waren in den letzten Monaten wichtige Fortschritte zu verzeichnen.

Branchenperspektive

Systemische Risiken der Versicherer begrenzt Link kopieren

Versicherer sind auf ein stabiles Finanzsystem angewiesen. Sie haben vielfältige Geschäftsbeziehungen mit anderen Akteuren des Finanzsystems und sind in den meisten Segmenten des Finanzmarkts aktiv. Umgekehrt ist eine stabile Versicherungswirtschaft von zentraler Bedeutung für das Finanzsystem. Mit der Bereitstellung von Risikoschutz und als langfristig orientierte Anleger erbringen die Versicherer unverzichtbare Funktionen für Wirtschaft und Gesellschaft. Fragen der Finanzstabilität und der makroprudenziellen Aufsicht sind daher traditionell von hoher Bedeutung für die Branche.

Als wichtige Säule des Finanzsystems und Erbringer unverzichtbarer Funktionen für die Volkswirtschaft ist die Versicherungswirtschaft selbstverständlich in den makroprudenziellen Aufsichtsrahmen einbezogen. Durch die spezifischen Eigenschaften ihres Geschäfts – Langfristcharakter, stabile Finanzierung der Passivseite der Bilanz, Finanzierung der Versicherungsleistungen durch vorabgezahlte Prämien, überwiegende Anknüpfung der Versicherungsleistung an externe Ereignisse – und die systemischen Risiken in der Versicherungswirtschaft deutlich geringer als in anderen Bereichen. Die Versicherer Versicherungswirtschaft wirken eher als stabilisierender Faktor im Finanzsystem.

Aus Sicht der deutschen Versicherer ist ein effektiver makroprudenzieller Rahmen für die Versicherungswirtschaft sehr wichtig, damit die Branche ihre volkswirtschaftlichen Funktionen gut erfüllen kann. Der Holistic Framework der IAIS mit seiner ganzheitlichen, risikoorientierten und proportionalen Herangehensweise bietet hierfür ein hervorragendes Rahmenwerk auf globaler Ebene. Schon heute stehen die deutschen und europäischen Aufsichtsregeln ganz überwiegend im Einklang mit dem Holistic Framework, wie die Untersuchungen der IAIS zur bisherigen weltweiten Umsetzung des Holistic Frameworks zeigen. Mit der Reform des europäischen Versicherungsaufsichtssystems (Solvency II Review) erfolgt eine weitere Stärkung der makroprudenziellen Aufsicht über die Versicherer.

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