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Dossier: Finanzstabilität (© Unsplash/Tech Daily)

Dossier: Finanzstabilität

Stabilität und Leistungsfähigkeit des Finanzsystems sind von zentraler Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft. Nach den Herausforderungen der Coronakrise ist das Finanzsystem infolge von Ukraine-Krieg, Energiekrise und hoher Inflation erneut einer großen Belastungsprobe ausgesetzt. Hier finden Sie einen kurzen Überblick über das Themenfeld Finanzstabilität aus der Perspektive der Versicherungswirtschaft.

24.02.2023
Aktuelles Geschehen

Stabilitätslage auch im ersten Quartal 2023 von erhöhten Risiken geprägt Link kopieren

Die Deutsche Bundesbank und die Europäische Zentralbank konstatieren in ihren aktuellen Finanzstabilitätsberichten vom November 2022 weiter erhöhte Stabilitätsrisiken. Herausgestellt werden gestiegene Markt-, Kredit- und Liquiditätsrisiken durch verringertes Wirtschaftswachstum und die restriktiveren Finanzierungsmöglichkeiten. Als mögliche Negativszenarien für das Finanzsystem werden insbesondere ein unerwartet starker Zinsanstieg aufgrund anhaltend hoher Inflation, ungeordnete Preiskorrekturen an den Assetmärkten und die Verschärfung der Energiekrise genannt.

Einige Risiken, vor denen im vierten Quartal 2022 seitens der Aufseher noch besonders gewarnt wurde, haben sich abgemildert. So hat sich die Lage am Energiemarkt entschärft und ein möglicher Blackout im Winter scheint abgewendet. Der Finanzmarkt hat sich seit dem dritten Quartal 2022 zum Teil wieder erholt und die angekündigte drohende konjunkturelle Abkühlung wird wohl milder ausfallen als befürchtet. Auch verlangsamte die EZB im Dezember 2022 die Schritte der Zinserhöhungen.

Das Finanzsystem in Deutschland und EU die zahlreichen neuen Herausforderungen des Jahres 2022 bisher gut bewältigt und sich als resilient erwiesen. Hier schlagen sich u. a. die umfassenden Aufsichtsreformen seit der globalen Finanzkrise 2008 und die umfangreichen Verbesserungen in Risikomanagement und Governance der Finanzinstitute nieder. Dennoch dürften auch für 2023 die Stabilitätsrisiken substanziell erhöht bleiben.

Der Versicherungssektor steht im Hinblick auf die akuten Stabilitätsrisiken aktuell nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit der makroprudenziellen Aufseher. Sowohl die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA als auch die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden IAIS haben im Dezember 2022 in ihren Berichten im Rahmen ihrer makroprudenziellen Überwachung die Stabilitätslage der europäischen bzw. globalen Versicherungswirtschaft positiv bewertet.

Politische Perspektive

Effektiver Aufsichtsrahmen zur Finanzstabilität Link kopieren

Eine wichtige Lehre aus der globalen Finanzkrise von 2008 war die Erkenntnis, dass systemische Risiken und die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes von Regulierern und Aufsehern im Vorfeld zu wenig beachtet worden waren. Ein zentraler Pfeiler der Regulierungsreformen des letzten Jahrzehnts war daher die Errichtung eines umfassenden makroprudenziellen Aufsichtsrahmens zur Sicherung der Finanzstabilität.

Mit dem Ziel der frühzeitigen Identifikation und Bewertung potenzieller systemischer Risiken haben die makroprudenziellen Aufseher – Zentralbanken, Aufsichtsbehörden, Ausschüsse für Finanzstabilität – ihre makroprudenzielle Überwachung in den letzten Jahren stark ausgeweitet. Neben der Heranziehung von Erkenntnissen aus der mikroprudenziellen Aufsicht über die einzelnen Finanzinstitute wurde dafür ein vielfältiges Instrumentarium etabliert. Dieses reicht von regelmäßigen Finanzstabilitätsberichten, Risk Dashboards auf Basis von Indikatorensystemen, Stresstests und Szenariorechnungen bis hin zu situativen qualitativen oder quantitativen Erhebungen und vertieften Analysen, wie aktuell etwa zu den Auswirkungen der Inflation.

Um identifizierte systemische Risiken adressieren zu können stehen umfangreiche Aufsichtsinstrumente zur Verfügung. So wurde mit dem „Holistic Framework for systemic risk in the insurance industry“ 2019 ein umfassender makroprudenzieller Rahmen für die Versicherungswirtschaft eingeführt.

Branchenperspektive

Systemische Risiken der Versicherer begrenzt Link kopieren

Versicherer sind auf ein stabiles Finanzsystem angewiesen. Sie haben vielfältige Geschäftsbeziehungen mit anderen Akteuren des Finanzsystems und sind in den meisten Segmenten des Finanzmarkts aktiv. Umgekehrt ist eine stabile Versicherungswirtschaft von zentraler Bedeutung für das Finanzsystem. Mit der Bereitstellung von Risikoschutz und als langfristig orientierte Anleger erbringen die Versicherer unverzichtbare Funktionen für Wirtschaft und Gesellschaft. Fragen der Finanzstabilität und der makroprudenziellen Aufsicht sind daher traditionell von hoher Bedeutung für die Branche.

Als wichtige Säule des Finanzsystems und Erbringer unverzichtbarer Funktionen für die Volkswirtschaft ist die Versicherungswirtschaft selbstverständlich in den makroprudenziellen Aufsichtsrahmen einbezogen. Durch die spezifischen Eigenschaften ihres Geschäfts – Langfristcharakter, stabile Finanzierung der Passivseite der Bilanz, Finanzierung der Versicherungsleistungen durch vorabgezahlte Prämien, überwiegende Anknüpfung der Versicherungsleistung an externe Ereignisse – und die systemischen Risiken in der Versicherungswirtschaft deutlich geringer als in anderen Bereichen. Die Versicherer Versicherungswirtschaft wirken eher als stabilisierender Faktor im Finanzsystem.

Aus Sicht der deutschen Versicherer ist ein effektiver makroprudenzieller Rahmen für die Versicherungswirtschaft sehr wichtig, damit die Branche ihre volkswirtschaftlichen Funktionen gut erfüllen kann. Der Holistic Framework der IAIS mit seiner ganzheitlichen, risikoorientierten und proportionalen Herangehensweise bietet hierfür ein hervorragendes Rahmenwerk auf globaler Ebene. Schon heute stehen die deutschen und europäischen Aufsichtsregeln ganz überwiegend im Einklang mit dem Holistic Framework, wie die Untersuchungen der IAIS zur bisherigen weltweiten Umsetzung des Holistic Frameworks zeigen.

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