Digital unterwegs
Die globale Wirtschaft transformiert sich und streift ihre analoge Vergangenheit langsam ab. Von drei exemplarischen Versicherungsmanagern – und ihrer Arbeit zwischen Eins und Null.
Entwickler und Vernetzer
Ein grünes X am Revers ist sein Stammeszeichen: Johannes Rath ist ein sijox. Die Abkürzung steht für Signal Iduna – jung, organisiert und vernetzt. Im Jahr 2010 entwickelte der damals erst 26-Jährige die Submarke als Start-up im Konzern. Er ist Versicherungsmann durch und durch: von der Pike auf gelernt, im Vertrieb gearbeitet, parallel European Business studiert. Als Signal Iduna und Deutscher Ring fusionierten und ihre Bestände verjüngen wollte, kam Rath, der kurz zuvor seine Abschlussarbeit zum Qualitätsvertrieb 2.0 geschrieben hatte, gerade recht. Er machte sich auf, die jüngere Generation abzuholen – und zwar so, wie es ihrem Kommunikationsverhalten entspricht, über Chat, Facebook, Twitter oder Skype. Diesen digitalen Ansatz von sijox ergänzen rund 100 Fachberater vor Ort. Ihr Basisgerät für den Vertrieb: das iPad, um Pakete, die auf die Lebenssituation der Jungen zugeschnitten sind, zu verkaufen. „Für den Konzern war das eine völlig neue Welt“, sagt der heutige sijox-Bereichsleiter. Wer sein Büro sieht, kann sich den Aufprall vorstellen: Holzkisten als Tisch, ein großes Vintagesofa, die Fenster bekritzelt mit Ideen. Doch es sieht so aus, als könnte es funktionieren. Gerade mal Mitte 20 ist die sijox-Klientel durchschnittlich. Und mit mehr als zwei Verträgen pro Kunde liegt die Cross-Selling-Quote höher als sonst im Unternehmen. Rath scheint den richtigen Ton zu treffen. Als Angehöriger der Generation Facebook ist er selbst bekennender Surfer – im Internet wie auf Wellen. Nur einmal im Jahr, da setzt er auf ,,Digital Detox“, digitale Entgiftung. In Urlaub geht es ohne Smartphone.
Kundenversteher und Revoluzzer
Für einen Revoluzzer hat sich Christoph Schmallenbach nie gehalten. Doch plötzlich ist der Generali-Deutschland-Vorstand zum Frontkämpfer geworden. Für Ende 2015 hat der Informatiker die ersten Versicherungsprodukte Deutschlands angekündigt, die die Lebensgewohnheiten der Kunden elektronisch erfassen. Wer gesund lebt, wird dafür mit Gutscheinen oder Rabatten belohnt. Ein Angriff auf die Privatsphäre, schreien Kritiker. Die Chance einer völlig neuartigen Kundenorientierung, entgegnet Schmallenbach. „Unser Vorstoß zielt auf ein Grundbedürfnis ab – nämlich besser und länger zu leben.“ Bei der genauen Ausgestaltung seines Angebots könnte es für den 52-Jährigen hilfreich sein, dass er sich selbst zur Zielgruppe zählt. Ihn motiviert heute ein Fitbit-Armband beim Kampf gegen die überschüssigen Pfunde. Ob Spinning oder Spaziergang: Hat der Manager am Ende eines langen Bürotags seine selbst gesteckte Schrittzahl noch nicht erreicht, motiviert ihn die Zielanzeige auf dem Display, aktiv zu werden.
Jäger und Sammler
Er ist der Herr über enorme Datenmengen, datenschutzrechtlich streng behütet: Björn Hinrichs, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft für das Hinweis- und Informationssystem (HIS) der Versicherungswirtschaft. 2011 hatte der GDV die Auskunftei an die Bertelsmann-Tochter Arvato ausgelagert. Neue Anforderungen an Technik, Datenschutz und Transparenz machten eine Weiterentwicklung nötig. Der 39-Jährige verwaltet aktuell rund 3,6 Millionen Einträge – im Kampf gegen Versicherungsbetrug. Gefüttert wird die Datenbank bei bestimmten Meldungen automatisch – dazu gehören bei der Kfz-Versicherung etwa Totalschäden oder Diebstahl. An Spitzentagen richten die Versicherer bis zu 260.000 Anfragen an die Auskunftei. „Analog wäre diese Menge nicht zu bewältigen“, sagt Hinrichs. Digital in Sekunden. Und eigentlich fehlerfrei. Nur einmal seit dem vierjährigen Bestehen des HIS gab es ein Problem. Geänderte Löschfristen wurden verspätet berücksichtigt. Zur Sicherheit ließ Hinrichs das System nach der Korrektur von PricewaterhouseCoopers noch mal auf Fehler durchleuchten. Sie fanden nichts. Was seine eigene Datensicherheit angeht, ist er weniger konsequent als ambivalent. Zu gern nutzt er digitale Annehmlichkeiten wie Online-Shopping und nimmt den digitalen Fußabdruck in Kauf. Facebook dagegen lässt er wegen Datenschutzbedenken links liegen.
Fotos: Signal Iduna/Sijox, Michael Hudler, Oliver Tjaden