Wie EU-Rechtsvorschriften entstehen: Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren am Beispiel FiDA
Wie wird aus einem politischen Plan ein konkretes Gesetz? Am Beispiel der Financial Data Acces Regulation (FiDA) wird der EU-Gesetzgebungsprozess erklärt.

Die Europäische Union erlässt Gesetze, die weitreichende Auswirkungen auf die Versicherungsbranche haben. Sie legen fest, wie Daten verarbeitet werden, welche Marktregeln gelten und welche Rechte Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten. Doch wie wird aus einer Idee oder einer Empfehlung tatsächlich ein Gesetz der Europäischen Union? Ein Blick auf das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, das am häufigsten angewendete Verfahren der EU, zeigt, wie aus einer politischen Idee ein verbindlicher Rechtsrahmen wird.
Der Ablauf des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens
Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren ist das meistgenutzte Verfahren für die Verabschiedung von EU-Rechtsvorschriften. Es gewährleistet, dass sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat der Europäischen Union gleichberechtigt an der Gesetzgebung beteiligt sind.
Der Prozess beginnt mit einem Legislativvorschlag der EU-Kommission, dem Exekutivorgan der Union. Dieser Vorschlag wird dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt, die ihn unabhängig voneinander prüfen. Beide Institutionen haben die Möglichkeit, Änderungen vorzuschlagen und ihre Positionen in sogenannten Lesungen zu formulieren.
In der Regel finden zwei Lesungen in beiden Institutionen statt: Nach der ersten Lesung gibt das Parlament eine Stellungnahme ab, die der Rat berücksichtigt. Ebenso kann der Rat dem Parlament eine Antwort geben. Stimmen beide Institutionen bereits nach der ersten Lesung überein, kann der Vorschlag direkt angenommen werden.
Kommen Parlament und Rat jedoch zu unterschiedlichen Auffassungen, folgt eine zweite Lesung. Hier werden die zuvor vorgebrachten Änderungsvorschläge erneut diskutiert. Gelingt auch in der zweiten Lesung keine Einigung, wird ein Vermittlungsausschuss eingesetzt.
Der Vermittlungsausschuss besteht aus einer gleichen Anzahl von Vertretern des Parlaments und des Rates. Ziel dieses Ausschusses ist es, einen Kompromiss zu erarbeiten, der anschließend von beiden Institutionen angenommen werden muss, damit die Rechtsvorschrift in Kraft treten kann.
Dieses Verfahren stellt sicher, dass verschiedene Interessen abgewogen werden und das Gesetz von mehreren Seiten geprüft wird, bevor es verbindlich wird.
FiDA als Praxisbeispiel
Im Jahr 2020 stellte die EU-Kommission ihre Digitale Finanzstrategie vor. Darin wurde ein offenes Finanzwesen als zentrales Handlungsfeld benannt. Zwei Jahre später folgte die Arbeit einer Expertengruppe, die Themen wie Datenzugänglichkeit, Standardisierung und Haftungsfragen analysierte.
Auf dieser Grundlage veröffentlichte die Kommission im Juni 2023 den Vorschlag für die Financial Data Access Regulation (FiDA). Ziel ist ein EU-weiter Rechtsrahmen, der es Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglicht, ihre Finanzdaten standardisiert, sicher und nur mit ausdrücklicher Zustimmung an Dritte weiterzugeben. Versicherungsdaten könnten hiervon ebenso betroffen sein wie Bank- oder Zahlungsdaten.
Nach Vorlage des Vorschlags begannen die Beratungen im Europäischen Parlament, federführend im Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON), sowie im Rat der EU. Beide Institutionen erarbeiteten ihre Positionen, bevor sie in die Trilogverhandlungen eintraten. In diesen informellen Gesprächen zwischen Parlament, Rat und Kommission werden strittige Punkte geklärt, technische Standards definiert und politische Kompromisse gesucht.
Partizipation der Wirtschaft
Als Branchenverband bringt der GDV die Interessen der Versicherungswirtschaft aktiv in den Gesetzgebungsprozess ein. Durch diese Beteiligung können die praktischen Auswirkungen von EU-Rechtsvorschriften frühzeitig transparent gemacht werden. Für die Politik ist der Austausch mit Verbänden wie dem GDV von großer Bedeutung, da sie dadurch wertvolles Fachwissen und konkrete Branchenkenntnisse erhalten. Das ermöglicht es den Entscheidungsträgern, fundierter zu beraten und die Gesetzgebung zielgerichteter und wirkungsvoller zu gestalten.
Beim Vorschlag der Financial Data Access Regulation (FiDA) sieht die Versicherungswirtschaft deutlichen Nachbesserungsbedarf. Kritisch wird insbesondere bewertet, dass der Kundennutzen des geplanten Datenaustauschs bislang nicht klar belegt ist. Gleichzeitig führt die Umsetzung zu erheblichen Kosten und bindet gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen wichtige Ressourcen.
Zudem bleiben Datenschutz und IT-Sicherheit zentrale Herausforderungen. Der erweiterte Austausch sensibler Daten erhöht das Risiko von Cyberangriffen und Missbrauch. Darüber hinaus gibt es Befürchtungen, dass europäische Versicherer durch FiDA zu reinen Datenlieferanten für große außereuropäische Technologieunternehmen werden könnten, die nicht denselben regulatorischen Anforderungen unterliegen.
Die Verhandlungen zum FiDA-Vorschlag sind derzeit noch im Gange. Nach einer Verabschiedung wird die Verordnung in allen EU-Mitgliedstaaten gelten und einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen. Wie sich Wettbewerb, Datenschutz und Innovationsfähigkeit in der Versicherungsbranche entwickeln, hängt maßgeblich von den weiteren politischen Entscheidungen ab.