Zur Suche
Konjunktur & Märkte

Sonnenschein an den Börsen – Schatten in der Konjunktur

Die neue Ausgabe der Economics & Finance Perspectives zeichnet ein widersprüchliches Bild: Während die Börsen vielerorts Rekorde feiern, bleibt die reale Wirtschaft von Unsicherheit und Stagnation geprägt. GDV Economic Research ordnet die Lage ein und gibt einen Ausblick.

Lesedauer
© pexels sevenstorm juhaszimrus

Die Vereinigten Staaten überraschten jüngst mit einem kräftigen Wachstum. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass es sich weniger um einen echten Aufschwung handelt, sondern um temporäre Effekte im Außenhandel. Unternehmen hatten zuvor Importe vorgezogen, um drohenden Zöllen zuvorzukommen. Als dieser Effekt auslief, verbesserte sich die Handelsbilanz nur rechnerisch, also ohne, dass die Wirtschaft real an Fahrt gewonnen hätte.

Gleichzeitig trübt sich die Stimmung der Verbraucher spürbar ein. Trotz noch stabiler Konsumausgaben wächst die Sorge vor steigenden Preisen. Die Arbeitsmarktdaten wurden zudem deutlich nach unten revidiert – ein Hinweis auf eine konjunkturelle Abkühlung. Die US-Notenbank steht damit vor einem Dilemma: Weitere Zinssenkungen könnten die Konjunktur stützen, bergen aber die Gefahr, die ohnehin hohen Inflationserwartungen weiter erhöhen.

Europa: Zwischen Stabilität und politischer Unsicherheit

Im Euroraum zeigt sich ein gemischtes Bild. Einerseits sorgt die robuste Beschäftigungslage für stabile Einkommen und Konsum. Andererseits belasten die US-Zollpolitik und geopolitische Spannungen die exportorientierte Industrie. Länder wie Spanien entwickeln sich vergleichsweise dynamisch, während Frankreich derzeit mit politischer Instabilität zu kämpfen hat.

Deutschland bleibt trotzdem ein Sorgenkind Europas. Die Wirtschaft steckt seit Jahren in einer Phase der Stagnation. Industrieproduktion und Investitionen schwächeln, während steigende Staatsausgaben der Konjunktur lediglich eine kurze Atempause verschaffen. Strukturelle Probleme wie Fachkräftemangel und Unsicherheit im Welthandel verhindern eine nachhaltige Erholung.

Finanzmärkte: Optimismus trotz geopolitischer Risiken

Die Kapitalmärkte hingegen präsentieren sich erstaunlich widerstandsfähig. Aktienindizes, allen voran in den USA und Deutschland, konnten in den vergangenen Monaten spürbar zulegen. Auffällig ist jedoch, dass die Kursgewinne auf wenige Unternehmen konzentriert sind. Politische Impulse – etwa große Infrastrukturprogramme – haben die Risikobereitschaft der Investoren zusätzlich gestärkt.

Parallel dazu zeigen sich Veränderungen in den Korrelationen zwischen Anleihen- und Aktienmärkten. Während in Deutschland das klassische Muster – sinkende Anleiherenditen bei steigenden Aktienkursen – stabil bleibt, hat sich dieses Verhältnis in den USA teilweise umgekehrt. Für Anleger bedeutet dies, dass altbekannte Regeln der Diversifizierung nicht mehr in gleichem Maße gelten.

Ausblick: Unsicherer Balanceakt

Das Zusammenspiel aus geopolitischen Konflikten, Zöllen, Währungsschwankungen und geldpolitischen Weichenstellungen schafft ein komplexes Umfeld. Während die Finanzmärkte bislang von Hoffnung und Liquidität getragen werden, bleibt die Realwirtschaft anfällig für Rückschläge.

Für Deutschland gilt: Ohne tiefgreifende strukturelle Reformen und eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit droht die längste Phase wirtschaftlicher Stagnation seit Jahrzehnten. Europa insgesamt kann zwar auf einen stabilen Arbeitsmarkt bauen, doch die außenwirtschaftlichen Belastungen bleiben erheblich.

Inhaltstyp