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Regulierung

Finanzentscheidung verhaltensökonomisch erklärt: Was wir von der Wissenschaft lernen können.

In der aktuellen Diskussion über die EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy / RIS) betont der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), dass Provisionsverbote – auch partielle - nicht dazu führen werden, dass mehr Menschen damit beginnen, ihre Ersparnisse am Kapitalmarkt anzulegen. Wissenschaftliche Untersuchungen untermauern die Position.

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© unsplash

Die Europäische Union möchte mehr Menschen dazu animieren am Kapitalmarkt aktiv zu werden, auch um besser für das Alter vorzusorgen. Derzeit prüfen das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten einen entsprechenden Gesetzgebungsvorschlag der EU-Kommission für eine europäische Kleinanlegerstrategie. Eine wichtige Frage innerhalb dieser Vorschläge ist, ob strengere Vorschriften für Provisionen das Vertrauen der Menschen in die Finanzmärkte und seine Akteure erhöhen und dazu beitragen können, dass mehr Menschen anfangen zu investieren.

Es geht um die Zukunftsvorsorge von Millionen von Menschen. Deshalb ist es entscheidend, die Debatte um diese Frage auf eine ausgewogene, evidenzbasierte und wissenschaftlich fundierte Grundlage zu stellen. Das international anerkannte Beratungsunternehmen Oxera ging in einer Studie im Auftrag des GDV der Frage nach, welchen Einfluss verschiedene Vergütungsmodelle der Vermittler auf das Verhalten von Anlegern, Vermittlern und Anbietern haben. In einem kompakten Video ordnet Reinder van Dijk, Partner von Oxera, die wesentlichen Erkenntnisse der Befragung ein:

Video

Erkenntnisse der Verhaltensökonomie und Empirie zur EU-Kleinanlegerstrategie

Reinder van Dijk, Partner von Oxera, erklärt in einem kompakten Videostatement die Einflussfaktoren auf das mangelnde Investment von Europäern am Kapitalmarkt. Das Problem lässt sich nicht auf das mangelnde Vertrauen in die Finanzmärkte zurückführen, sondern vielmehr auf psychologische Faktoren. 

Zur Mediathek des GDV

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass es weitaus wichtigere Gründe dafür gibt, dass Menschen nicht investieren als fehlendes Vertrauen in die Finanzmärkte und seine Akteure. Fehlendes Vertrauen spielt eher eine untergeordnete Rolle. Warum also investieren nicht mehr Menschen am Kaptalmarkt?

Die beiden wichtigsten Gründe sind, dass Menschen nicht darüber nachdenken zu investieren oder es als komplex empfinden, sich mit Finanzentscheidungen auseinanderzusetzten. Wissenschaftliche Studien beschreiben eine gewisse „Trägheit“ finanzielle Entscheidungen zu treffen. Hinzu kommt, dass die Menschen dazu tendieren, in finanziellen Angelegenheiten vorsichtig zu sein und die negativen Konsequenzen einer Investition am Kapitalmarkt überzubewerten. Soziale Einflüsse und Emotionen wie das berühmte "Bauchgefühl" beeinflussen Finanzentscheidungen stark. Die Menschen sind also anfällig für psychologische Einflüsse und entscheiden deshalb nicht immer rational und richtig.

Daher nehmen Vermittler eine entscheidende Rolle ein: Sie ergreifen die Initiative und durchbrechen die Trägheit. Sie analysieren die Wünsche, Bedürfnisse und Vorlieben ihrer Kunden und erklären Chancen und Risiken einer Anlage. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, dass sich die Menschen mit dem Thema beschäftigen, sich informieren und fundierte, rationale Entscheidungen treffen. Studiengerbnisse zeigen, viele Menschen wünschen sich Unterstützung und benötigen Hilfe bei finanziellen Entscheidungen, deshalb ist ein einfacher Zugang zu Finanzberatung essenziell.  

In Deutschland haben die Menschen derzeit die Wahl, ob sie Anlageprodukte direkt beim Anbieter kaufen, sich gegen Honorar beraten lassen oder einen Vermittler einschalten, der Provisionen bezieht. Diese Wahlfreiheit einzuschränken, wäre falsch. Die meisten Menschen wissen es zu schätzen, dass sie Informationen, Erklärung, Rat und Unterstützung erhalten, ohne gleich eine Rechnung dafür zu erhalten.