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Private Altersvorsorge

EU-Kleinanlegerstrategie: Ein moderner Vertriebsrahmen braucht verhaltensökonomische Erkenntnisse

Ergänzend zu der kontroversen Diskussion um die Zukunft des Provisionsvertriebs im Rahmen der Retail-Investment-Strategie veranstaltete der GDV ein Gesprächsformat darüber, wie verhaltensökonomische Erkenntnisse eine moderne Kundenansprache gestalten können.

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© GDV

v. l.: Jack Parrock (Moderation), Alexandra Jour-Schröder, Juan Luis Cordero Tarifa, Chiara Monticone, Ralf Berndt

Die EU-Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy) soll Bürgerinnen und Bürger dazu ermutigen, mehr ihrer Ersparnisse auf den Kapitalmärkten anzulegen. Das Ziel: die Altersvorsorgelücke zu schließen und die Transformation der Wirtschaft zu finanzieren. Die Versicherungsbranche spielt dabei eine Schlüsselrolle. "Wir setzen darauf, dass die Branche ambitionierte Veränderungen unterstützt, um die Bedingungen für Kleinanleger zu verbessern und ihre Beteiligung am Kapitalmarkt zu stärken", betont Alexandra Jour-Schröder, stellvertretende Generaldirektorin der EU-Kommission. Dies gelingt nur, wenn Verbraucher die Chancen der Kapitalmärkte verstehen und ermutigt werden, diese zu nutzen. Auf der GDV-Veranstaltung "Retail Investment Strategy: Time to change to a behavioral economics perspective?" diskutierten Politiker, Aufsichtsbehörden, Wissenschaftler und Vertreter der Versicherungswirtschaft, wie verhaltensökonomische Erkenntnisse optimal in die EU-Kleinanlegerstrategie integriert werden können.

Praxiswissen und Beobachtung des Verbraucherverhaltens sind entscheidend

Ungeachtet den in Brüssel kontrovers diskutierten Themen Provision und „Value for Money“  waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, dass das tatsächliche Verbraucherverhalten entscheidend ist. Mangelndes Finanzwissen und Informationsüberflutung sind dabei zentrale Herausforderungen. OECD-Studien zeigen, dass Kleinanlegern oft das Wissen über Rentenprodukte fehlt, insbesondere die langfristigen Vorteile von Kapitalmarktanlagen werden massiv unterschätzt.

Untersuchungen bestätigen, dass „informelle Informationen“ einen erheblichen Einfluss auf das Anlageverhalten haben. Chiara Monticone, Senior Policy Analyst bei der OECD, betont, dass potenzielle Kleinanleger sich zunehmend auf Empfehlungen aus ihrem persönlichen Umfeld verlassen. Man müsse die Menschen neugierig machen, um sie zur Eigeninitiative und zum Erwerb von Finanzwissen zu bewegen.

Weitere Studien der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen (EIOPA) bestätigen die Zurückhaltung europäischer Verbraucher, ihre Ersparnisse den Kapitalmärkten anzuvertrauen. Klare und relevante Informationen sind notwendig, um Investitionsentscheidungen zu erleichtern. Marco Traversa, Teamleiter Conduct Oversight bei EIOPA, unterstreicht die Bedeutung einfachen digitalen Zugangs und verständlicher Darstellungen, beispielsweise durch Layering, um Finanzinformationen breit zugänglich zu machen. Menschen sollten in "teachable moments" an das notwendige Wissen herangeführt werden, ohne dass diese zu reinen Marketingübungen verkommen.

Wichtige Rolle der Finanzberatung

Ralf Berndt, Vorstandsmitglied der Stuttgarter Lebensversicherung, hob hervor, dass potenzielle Anleger in der Regel vorsichtig und nicht rational agieren. Ihnen fehlt oft das Vertrauen in die Rendite. „Wir können nicht erwarten, dass Kleinanleger in der EU von sich aus aktiv werden. Die Lösung dieser Herausforderungen liegt auch in den Händen der politischen Entscheidungsträger, die aufgerufen sind, die Vorschriften zur Offenlegung zu modernisieren und zu straffen“, betont Berndt.

Trilog-Verhandlungen voraussichtlich erst nach den Europawahlen

Die Abstimmung über die Verhandlungsposition des Europäischen Parlaments zur Retail-Investment Strategie im Ausschuss für Wirtschaft und Währung ist für den 20. März vorgesehen. Die belgische Ratspräsidentschaft strebt an, noch vor Ende ihrer Amtszeit eine so genannte "Allgemeine Ausrichtung" im Rat zu erreichen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass vor den Europawahlen noch genügend Zeit für Trilogverhandlungen bleibt.