Zwischen Geopolitik und Wachstumsschwäche – Wie steht es um den Klimaschutz in Belém, Brüssel und Berlin?
Die geopolitische und wirtschaftliche Lage ist angespannt und prägt zunehmend die Klimaschutzagenda – international, europäisch und national. Während von der COP 30 in Belém wenig Impulse ausgehen, bleibt die EU auf Klimakurs, auch wenn sie das Tempo etwas drosselt. Die deutsche Bundesregierung hat umfangreiche Energie-Entlastungen auf den Weg gebracht. Mit dem Blick nach vorne können höhere Investitionen in Infrastruktur und Netze neue Impulse für Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz setzen.
Der Klimawandel macht keine Pause. Wenn die Weltgemeinschaft ihre aktuelle Klimaschutzpolitik fortführt, rechnet das UN-Umweltprogramm mit einem Temperaturanstieg von 2,8 Grad Celsius (Szenario „current policies“, Quelle: UN Emission Gap Report 2025). Selbst bei optimistischeren Szenarien wäre immer noch ein Temperaturanstieg von 2,3 bis 2,5 Grad Celsius zu verzeichnen. Im jüngsten UN-Global Environment Outlook werden erneut die enormen Folgen für Mensch und Natur aufgezeigt.
COP 30 in Belem – mehr freiwillige Initiativen
Bei der 30. Weltklimakonferenz im Belém (Brasilien) diskutierten über 50.000 Teilnehmer/-innen über globalen Klimaschutz. Im Fokus der Verhandlungen stand ein konkreter Fahrplan für den Ausstieg aus fossilen Energien. Am Ende konnte sich die Staatengemeinschaft nicht darauf einigen.
Auf der Habenseite steht eine ganze Reihe freiwilliger Initiativen, an denen sich auch die deutsche Bundesregierung, teilweise mit konkreten finanziellen Zusagen, beteiligt:
- Die Initiative „Tropical Forest Forever Facility” soll die Rodung des Amazonasregenwaldes stoppen. Mehrere Milliarden Euro wurden bereits zugesagt, darunter von Deutschland ein Betrag von einer Milliarde Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren.
- Die Finanzierung von Klimafolgenanpassung soll bis 2035 verdreifacht werden. Allerdings gab es keine Einigung, was der Basiswert im Jahr 2025 sein sollte.
- Der Fonds zur Unterstützung von Staaten des globalen Südens zur Abfederung von Klimafolgeschäden ist arbeitsfähig.
- Die UN hat eine globale Initiative für Informationsintegrität im Klimawandel gestartet. Auch Deutschland hat die dazugehörige Deklaration unterzeichnet.
Deutlich wurde auch eine breite Allianz an Staaten, die den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gemeinsam vorantreiben könnte.
EU bleibt auf Klimakurs, aber drosselt das Tempo
Die Europäische Union hält grundsätzlich an ihrem langfristigen Klimakurs fest, aber drosselt das Tempo. Am 10. Dezember verabschiedete die EU das Klimaziel für 2040. Zuvor drängten im EU-Ministerrat einige Länder auf ein deutlich ambitionierteres Ziel, während andere auf mehr Flexibilität pochten, um wirtschaftliche und soziale Auswirkungen abzufedern. Der Kompromiss sieht vor, dass die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 sinken sollen. Gleichzeitig können von der 90-Prozent-Reduktion bis zu 5 Prozentpunkte durch internationale CO₂-Zertifikate gedeckt werden.
Verschiebung des EU ETS 2 für Verkehr und Gebäude erzeugt neue Unsicherheiten
Neben dem Klimaziel für 2040 wurde auch die Verschiebung des neuen Emissionshandelssystems ETS 2 für die Sektoren Gebäude und (Straßen-)Verkehr um ein Jahr beschlossen. Die Verzögerung schafft zwar eine kurze Atempause, erzeugt jedoch Unsicherheit über die zukünftige CO₂-Bepreisung und damit über Investitionen in klimafreundliche Technologien. In Deutschland ändert sich durch die Verschiebung relativ wenig, da es bereits eine nationale CO₂-Bepreisung für die Sektoren Gebäude und Verkehr gibt.
NGO-Klimaschutz-Index: Deutschland nur noch Mittelmaß
Die Transformation zu einer klimafreundlichen Wirtschaft dürfte sich angesichts dieser internationalen Entwicklungen verzögern. Dies stellt Deutschland mit seinem dynamischen GreenTech-Sektor vor die Herausforderung, das Potenzial für zukunftsfähige Technologien und Unternehmen dennoch zu erhalten und auszubauen. Gleichzeitig gehört Deutschland beim Klimaschutz im internationalen Vergleich nur noch zum Mittelmaß, so das Ergebnis des Climate Change Performance Index 2026 der Umwelt-NGO Germanwatch und des Thinktanks New Climate Institut. In die Bewertung gehen die Kategorien Treibhausgase, Erneuerbare Energien, Energieverbrauch und Klimaschutzpolitik mit ein. Im Vergleich zum Vorjahr verliert Deutschland sechs Plätze und belegt nur noch den 22. Rang. Deutschland setze zu stark auf Gas und mache in den Sektoren Gebäude und Verkehr kaum Fortschritte, so die Begründung für die Herabstufung.
Deutschland verschiebt Klimaschutzprogramm ins neue Jahr
Die Bundesregierung verschiebt das für November 2025 geplante Update des deutschen Klimaschutzprogramms ins neue Jahr. Die größten Baustellen bleiben die Emissionslücken in den Sektoren Verkehr und Gebäude. Die Bundesregierung hatte bereits im November beschlossen, im kommenden Jahr wieder eine E-Auto-Förderung einzuführen. Die Förderung soll vor allem kleine und mittlere Einkommen beim Neukauf eines E-Autos unterstützen. Die Kosten in Höhe von ca. 3 Milliarden Euro sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) bereitgestellt werden. Eine offene Baustelle bleibt das Gebäudeenergieeffizienzgesetz, in dem auch die zukünftige Förderung klimafreundlicher Heizungen, wie beispielsweise der Wärmepumpe, geregelt wird.
Bundesregierung setzt stark auf Energiesubventionen
Mit dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität und dem KTF hat sich die Bundesregierung größere Gestaltungsspielräume verschafft. Dabei setzt sie laut einer Studie des Ökonomen Peter Bofinger für die Heinrich-Böll-Stiftung mit fast 30 Milliarden Euro im Jahr 2026 stark auf Energiesubventionen, wie zum Beispiel die Abschaffung der Gasspeicherumlage (3 Milliarden Euro), die Senkung der Stromsteuer für produzierende Unternehmen, Land- und Forstwirtschaft (2,5 Milliarden Euro) oder die Senkung der Netzentgelte (6,5 Milliarden Euro). Laut Bundesregierung entlasten niedrigere Netzentgelte Haushalte um ca. 100 Euro pro Jahr. Ein Vergleichsportal rechnet mit etwa 9 Prozent geringeren Strompreisen. Niedrigere Strompreise können Unternehmen mit hohen Stromkostenanteilen an der Produktion unterstützen. Sie dienen damit laut Bofinger eher dem Bestandserhalt, statt Anreize für Investitionen in GreenTech oder in ein effizienteres Energiesystem zu setzen. Dies sei aber dringend notwendig, um Strom- und Energiepreise langfristig zu senken.
Kritik an Verwendung des Sondervermögens und des KTF
An der Verwendung des Sondervermögens und des KTF gibt es teilweise starke Kritik, insbesondere zur Frage, ob das Sondervermögen zu zusätzlichen öffentlichen Investitionen führt. Bofinger geht davon aus, dass rund 40 Prozent der Mittel nicht „zusätzlich“ verwendet werden, sondern den Basishaushalt finanzieren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der Ökonom Tobias Heinze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW): „Von den neuen Krediten in Höhe von 271 Milliarden Euro bis 2029 werden bis zu 133 Milliarden, also fast 50 Prozent, zweckentfremdet.“ Statt in die Zukunft zu investieren, würde die Bundesregierung lieber „Wunschprojekte“ wie die Mütterrente umsetzen und eine große „Chance auf langfristiges Wachstum“ aufs Spiel setzen.
Zusätzliche private Investitionen in Infrastruktur notwendig
Die kurzfristigen Entlastungen bei den Strompreisen leisten einen Beitrag zur Dekarbonisierung der Sektoren Gebäude und Verkehr, da sie eher klimafreundliche Technologien wie Elektro-Autos und Wärmepumpen konkurrenzfähiger gegenüber Verbrennern und Gasheizungen machen. Darüber hinaus sind allerdings mehr private Investitionen in Infrastruktur und in den Netzausbau notwendig, um das Energiesystem effizienter zu machen. Versicherer können bei der Finanzierung langlaufender Infrastrukturprojekte im Rahmen von Öffentlich-Privater-Partnerschaften (ÖPP) einen entscheidenden Beitrag leisten.