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Transport & Logistik

Seeschifffahrt: Wie gefährlich sind Lithium-Ionen-Akkus an Bord?

Die norwegische Reederei Havila Kystruten will keine Elektroautos mehr an Bord ihrer Schiffe transportieren – die Brandgefahr sei zu hoch. Warum Lithium-Ionen-Akkus anders brennen und wie sich Schiffe besser schützen ließen, weiß der GDV-Sicherheitsexperte und Kapitän Uwe-Peter Schieder.

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© Jay Heike / unsplash

Herr Schieder, im vergangenen Frühjahr fing der Autofrachter „Felicity Ace“ auf dem Weg von Emden in die USA Feuer und versank schließlich mit mehreren tausend Neuwagen im Atlantik. Haben die Elektroautos an Bord den Brand ausgelöst? 

Wir wissen es nicht und werden es wohl auch nicht mehr erfahren. Das Schiff liegt in 3.500 Meter Tiefe im Atlantik. Elektroautos wurden als eine mögliche Brandursache genannt, aber es gibt dafür keine Beweise, eigentlich nicht einmal Indizien. An Bord waren sowohl Elektroautos als auch Verbrenner. Und nach allem, was wir aus den Statistiken der Kfz-Versicherer wissen, brennen Elektroautos nicht öfter als Verbrenner. Dass ein Elektroauto den Brand ausgelöst hat, ist also möglich, aber nicht mehr oder weniger wahrscheinlich als eine andere Ursache. Wir wissen ja nicht einmal, ob überhaupt ein Fahrzeug den Brand ausgelöst hat. 

„Die herkömmlichen Löschanlagen auf Schiffen können einen Brand von Lithium-Ionen-Akkus nicht löschen.“
Uwe-Peter Schieder, Kapitän und Experte für die Sicherheit der Seeschifffahrt im GDV

Trotzdem hat die norwegische Reederei Havila Kystruten jüngst den Transport von E-Autos auf ihren Schiffen gestoppt – und zwar explizit mit dem Hinweis auf die Brandgefahr der Elektroautos. 

Ja. Wobei die Reederei ihre Entscheidung mit den speziellen Anforderungen beim Löschen eines Brandes an einem E-Auto begründet. In der Tat sind dafür Investitionen erforderlich. Dies betrifft nicht nur große Autofrachter, sondern auch Passagierschiffe, die - wie Havila Kystruten - nur einige Fahrzeuge mitnehmen können. Wie zukunftsorientiert eine Entscheidung gegen solche Investitionen ist, wird sich zeigen. Fakt ist: Elektroautos brennen zwar nicht öfter als Verbrenner, aber sie brennen anders. Wenn Lithium-Ionen-Batterien Feuer fangen, produzieren sie unter anderem Wasserstoff, Sauerstoff und einige hochgiftige Gase. Mit den herkömmlichen Löschanlagen auf Schiffen kriegen sie einen solchen Brand nicht gelöscht.  

Warum nicht? 

Unter Deck werden Brände auf Autotransportern – übrigens genauso wie auf Containerschiffen – mit CO2 gelöscht. Die Idee dahinter ist, dass das CO2 den Sauerstoff verdrängt bzw. so weit verdünnt, dass das Feuer ohne Sauerstoff erstickt. Das funktioniert bei brennenden Lithium-Ionen-Batterien aber nicht, da sie beim Brennen den Sauerstoff selbst produzieren. Das CO2 ist bei einem solchen Brand also vollkommen wirkungslos. Das Gleiche gilt für Schiffe, die anstatt mit CO2 mit Schaum löschen. 

Demnach sind Elektroautos an Bord eine reale Gefahr? 

Ja, aber auch keine größere als viele andere transportierte Güter. Litihium-Ionen-Akkus finden sich zudem in vielen Geräten, zum Beispiel in Smartphones, Laptops, Pedelecs oder Werkzeugen. Sie werden heute wohl kaum noch ein Containerschiff finden, dass auf seiner Reise keine Lithium-Ionen-Akkus geladen hat. Das Problem ist, dass die Schiffe – Autofrachter ebenso wie Container- und andere Schiffe – keine wirksamen Mittel gegen solche Brände haben. Und das kann tatsächlich zur Katastrophe führen. 

Wie könnten Brände von Lithium-Ionen-Akkus an Bord gelöscht werden? 

Wirklich löschen lassen sich solche Brände nicht, man kann sie eigentlich nur kontrolliert abbrennen lassen. Dabei muss die Umgebung so mit Wasser gekühlt werden, dass der Brand nicht auf andere Fahrzeuge oder andere Container übergreifen kann. Dafür könnte man zum Beispiel Systeme installieren, die einen Hochdruck-Wassernebel versprühen. Das kühlt enorm und braucht wenig Wasser. Mit zu großen Wassermengen, die auf den großen offenen Autodecks hin und herschwappen können, wird das Schiff instabil. Geringere Wassermengen lassen sich besser beherrschen bzw. ableiten und gefährden die Stabilität des Schiffes nicht.  

Ohne ein solches System an Bord hat die Crew keine Chance gegen brennende Lithium-Ionen-Akkus? 

Aktuell kann die Crew mit Bordmitteln die meisten Brände ohnehin kaum oder gar nicht mehr unter Kontrolle bringen. Die Löschsysteme sind immer noch die gleichen wie vor 50 Jahren und haben mit der Größenentwicklung und den Brandlasten der Schiffe nicht Schritt gehalten. Wir müssen sowohl die Brand-Detektion als auch die Löschsysteme auf und unter Deck grundlegend ändern. Sonst bleiben die meisten Brände unbeherrschbar, Brände von Lithium-Ionen-Akkus sowieso. Der Verband setzt sich seit Jahren über den Weltverband der Transportversicherer für einen besseren Brandschutz auf Schiffen ein. Hoffentlich verleiht die Entscheidung der ersten Reederei, keine Elektroautos mehr zu transportieren, diesem Anliegen weiter Nachdruck.

Zur Person:

Kapitän Uwe-Peter Schieder ist seit 1994 Experte für die Sicherheit der Seeschifffahrt im GDV. Er ist Inhaber des Kapitänspatents auf Großer Fahrt und zwölf Jahre zur See gefahren.