Zur Suche
Transport & Logistik

Seeschifffahrt: Wie gefährlich sind Lithium-Ionen-Akkus an Bord?

Der Frachter „Fremantle Highway“ brannte tagelang in der Nordsee. Brandherd war wohl die Batterie eines E-Autos. Warum Lithium-Ionen-Akkus anders brennen und wie sich Schiffe besser schützen ließen, weiß GDV-Sicherheitsexperte und Kapitän Uwe-Peter Schieder.

Lesedauer
© picture alliance / EPA | JAN SPOELSTRA

Herr Schieder, im vorigen Frühjahr sank der Autofrachter „Felicity Ace“ im Atlantik, nachdem an Bord ein Feuer ausgebrochen war. Gleiches droht nun beim Frachter „Fremantle Highway“, der vor der niederländischen Nordseeinsel Ameland brennt. Als Brandherd gilt die Batterie eines E-Autos. Sind Elektroautos an Bord ein Risiko? 
Uwe-Peter Schieder: Nach allem, was wir aus den Statistiken der Kfz-Versicherer wissen, brennen Elektroautos nicht öfter als Verbrenner. Aber sie brennen anders. Wenn Lithium-Ionen-Batterien Feuer fangen, produzieren sie unter anderem Wasserstoff, Sauerstoff und einige hochgiftige Gase. Mit den herkömmlichen Löschanlagen auf Schiffen kriegen sie einen solchen Brand nicht gelöscht. Dafür sind Investitionen erforderlich. Dies betrifft übrigens nicht nur große Autofrachter, sondern auch Passagierschiffe, die nur einige Fahrzeuge mitnehmen können. 

„Die herkömmlichen Löschanlagen auf Schiffen können einen Brand von Lithium-Ionen-Akkus nicht löschen.“
Uwe-Peter Schieder, Kapitän und Experte für die Sicherheit der Seeschifffahrt im GDV

Warum wirken die bestehenden Löschanlagen nicht?
Schieder: 
Unter Deck werden Brände auf Autotransportern – übrigens genauso wie auf Containerschiffen – mit CO2 gelöscht. Die Idee dahinter ist, dass das CO2 den Sauerstoff verdrängt bzw. so weit verdünnt, dass das Feuer ohne Sauerstoff erstickt. Das funktioniert bei brennenden Lithium-Ionen-Batterien aber nicht, da sie beim Brennen den Sauerstoff selbst produzieren. Das CO2 ist bei einem solchen Brand also vollkommen wirkungslos. Das Gleiche gilt für Schiffe, die anstatt mit CO2 mit Schaum löschen. 

Demnach sind Elektroautos an Bord schon eine reale Gefahr?
Schieder: Ja, aber auch keine größere als viele andere transportierte Güter. Litihium-Ionen-Akkus finden sich zudem in vielen Geräten, zum Beispiel in Smartphones, Laptops, Pedelecs oder Werkzeugen. Sie werden heute wohl kaum noch ein Containerschiff finden, dass auf seiner Reise keine Lithium-Ionen-Akkus geladen hat. Das Problem ist, dass die Schiffe – Autofrachter ebenso wie Container- und andere Schiffe – keine wirksamen Mittel gegen solche Brände haben. Und das kann tatsächlich zur Katastrophe führen. 

Wie könnten Brände von Lithium-Ionen-Akkus an Bord gelöscht werden?
Schieder: Wirklich löschen lassen sich solche Brände nicht, man kann sie eigentlich nur kontrolliert abbrennen lassen. Dabei muss die Umgebung so mit Wasser gekühlt werden, dass der Brand nicht auf andere Fahrzeuge oder andere Container übergreifen kann. Dafür könnte man zum Beispiel Systeme installieren, die einen Hochdruck-Wassernebel versprühen. Das kühlt enorm und braucht wenig Wasser. Mit zu großen Wassermengen, die auf den großen offenen Autodecks hin und herschwappen können, wird das Schiff instabil. Geringere Wassermengen lassen sich besser beherrschen bzw. ableiten und gefährden die Stabilität des Schiffes nicht.  

Ohne ein solches System an Bord hat die Crew keine Chance gegen brennende Lithium-Ionen-Akkus? 
Schieder: Aktuell kann die Crew mit Bordmitteln die meisten Brände ohnehin kaum oder gar nicht mehr unter Kontrolle bringen. Die Löschsysteme sind immer noch die gleichen wie vor 50 Jahren und haben mit der Größenentwicklung und den Brandlasten der Schiffe nicht Schritt gehalten. Wir müssen sowohl die Brand-Detektion als auch die Löschsysteme auf und unter Deck grundlegend ändern. Sonst bleiben die meisten Brände unbeherrschbar, Brände von Lithium-Ionen-Akkus sowieso. Der Verband setzt sich seit Jahren über den Weltverband der Transportversicherer für einen besseren Brandschutz auf Schiffen ein. Hoffentlich verleiht die Entscheidung der norwegischen Reederei Havila Kystruten, die kürzlich bekannt gab, keine Elektroautos mehr zu transportieren, diesem Anliegen weiter Nachdruck.

Zur Person:

Kapitän Uwe-Peter Schieder ist seit 1994 Experte für die Sicherheit der Seeschifffahrt im GDV. Er ist Inhaber des Kapitänspatents auf Großer Fahrt und zwölf Jahre zur See gefahren.