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Klima

Wettlauf gegen die Zeit – EU-Klimabeirat für höheres Tempo beim Klimaschutz

Der wissenschaftliche EU-Klimabeirat sieht die Erreichung der europäischen Klimaziele in Gefahr. Über alle Politiksektoren hinweg zeigt er die Fortschritte und legt einen breiten Maßnahmenkatalog vor.

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© Unsplash/Luca Bravo

Das Erreichen der Klimaschutzziele ist ein „Wettlauf gegen die Zeit“. So formuliert es der renommierte Direktor des Potsdam-Institutes und Vorsitzender des EU-Klimabeirates Prof. Dr. Ottmar Edenhofer. Insbesondere um das Zwischenziel bis 2030 zu erreichen, die CO2-Emissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken, sind zusätzliche Anstrengungen notwendig.

EU-Klimabeirat legt umfangreichen Bericht vor

Der Beirat wurde mit dem EU-Klimagesetz als unabhängiges Gremium eingerichtet, das die Europäische Union (EU) mit Fachwissen und Ratschlägen zum Thema Klimawandel versorgt. Am 18. Januar hat der Beirat den ersten, über 300 Seiten starken Fortschrittsbericht „Towards EU climate neutrality. Progress, policy gaps and opportunities“ vorgelegt. Er gibt dreizehn Empfehlungen ab, um die Klimapolitik von EU und den Mitgliedstaaten besser an den Pariser Klimazielen auszurichten. Dazu gehört neben schnelleren Gesetzgebungsverfahren für einen zügigen Ausbau erneuerbarer Energien auch der Abbau fossiler Subventionen. Besonderen Nachholbedarf sieht der Beirat in einigen Sektoren wie der Landwirtschaft und dem Gebäudebereich. Bei der Umsetzung der Maßnahmen sind vor allem die einzelnen Mitgliedstaaten gefordert.

Klimaschutz braucht sozialen Ausgleich

Der Beirat diagnostiziert Lücken  bei der systematischen Abfederung der sozio-ökomischen Folgen der Klimaschutzpolitik. Einkommensschwache Haushalte sind mit am stärksten von einer höheren CO2-Bepreisung bzw. höheren Energiepreisen betroffen. Aus Sicht des EU-Klimabeirates ist der soziale Ausgleich jedoch unverzichtbar, um die gesellschaftliche Akzeptanz des Klimaschutzes zu stärken. Die deutsche Bundesregierung tut sich aktuell schwer, Mechanismen für den sozialen Ausgleich von Folgekosten des Klimaschutzes zu etablieren. Tatsächlich hatte die Bundesregierung das Klimageld im Koalitionsvertrag vereinbart. Allerdings stellte das Bundesfinanzministerium vor kurzem klar, dass das Klimageld frühestens 2027 ausgezahlt werden könne.

Investitionen in Klimaschutz bis 2030 vervierfachen

Die Mobilisierung von Kapital ist ein weiteres wichtiges Thema. Laut Bericht müssen die privaten und staatlichen Investitionen in Klimaschutz mindestens vervierfacht werden. Derzeit würden jährlich 200 bis 300 Milliarden Euro in die Minderung von CO2-Emissionen investiert. Bis 2030 sollte das Investitionsvolumen auf 1.250 bis 1.400 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Insbesondere in den Bereichen Energie und Verkehr müssen die Investitionen schnell umgeschichtet und massiv erhöht werden. Der Privatwirtschaft kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Der EU-Klimabericht empfiehlt, regulatorische Unsicherheiten zu beseitigen und Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Letztlich gehe es darum, klimarelevante Investitionen rentabel und damit für Investoren attraktiv zu machen.

Transparenz als wirksames Mittel gegen Greenwashing

Das Wachstum des Marktes für Nachhaltige Geldanlagen sieht der Beirat verhalten positiv. Im Jahr 2020 lag das Volumen der globalen ESG-Assets noch bei 35 Mrd. US-Dollar. Für das Jahr 2025 rechnet der EU-Klimabeirat immerhin mit einem Anstieg um fast 50 Prozent in 5 Jahren auf rund 50 Mrd. US-Dollar. Die tatsächliche Wirkung von ESG-Investments beurteilt  der EU-Klimabeirat allerdings zurückhaltend: „Die Forschung zeigt, dass ESG-Investitionen allein nicht ausreichen, um signifikante Klimaergebnisse zu erzielen.“ Zudem müssen nachhaltige Investitionen nach glaubwürdigen und transparenten Kriterien erfolgen, um Greenwashing zu vermeiden. Auch Green Bonds brauchen aus Sicht des EU-Klimabeirats klar definierte Standards. Hier hat die EU-Kommission allerdings bereits geliefert. Der EU Green Bond Standard ist verabschiedet und kann ab Dezember 2024 verwendet werden.     

EU-Taxonomie braucht Update – Gas nicht nachhaltig

Der EU-Klimabeirat empfiehlt, die EU-Taxonomie stärker an den EU-Klimaschutzzielen auszurichten. Insbesondere einige technische Bewertungskriterien (technical screening criteria (TSC)) würden teilweise dazu führen, dass Energieerzeugung mit fossilem Gas als nachhaltig eingestuft wird. Diese ungerechtfertigte Einstufung könnte Investitionen in nicht nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten begünstigen. Es besteht die Gefahr klimatechnisch auf das ‚falsche Pferd‘ zu setzen.

Bericht schafft gute Grundlage für intensive Debatten

Insgesamt hat der EU-Klimabeirat Lücken und Stellschrauben der europäischen Klimaschutzpolitik systematisch herausgearbeitet. Viele Maßnahmen zielen auf eine spürbare Änderung der Anreizstruktur in den realwirtschaftlichen Sektoren ab. Das Credo lautet Klimaschutz muss profitabel sein. Der Bereich sustainable finance und höhere Transparenz über Nachhaltigkeitsinformationen spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Die Schärfe der politischen Auseinandersetzung und Verteilung der Kosten nimmt auf Grund knapper staatlicher Budgets weiter zu. Damit die öffentlichen Debatten fair und konstruktiv sind, ist eine gemeinsame und solide Faktenbasis nötig. Der EU-Klimabeirates fundiert seine Empfehlungen mit vielen Fakten, Zahlen und Grafiken. Es ist daher zu hoffen, dass der Bericht eine wichtige Referenz wird für die intensiven Debatten rund um Klimaschutz.