Water Resilience Strategy: EU setzt auf Prävention
Mit der Water Resilience Strategy hat die Europäische Kommission im Frühjahr 2025 einen Baustein ihrer übergeordneten EU-Preparedness Strategy vorgelegt. Ziel beider Initiativen ist es, Europa besser auf künftige Krisen, Katastrophen und systemische Risiken vorzubereiten.

Zur Vorstellung der Water Resilience Strategy hat der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen, erklärt:
„Mit der Water Resilience Strategy benennt die Europäische Kommission Wasser als das, was es ist: Schlüsselressource für Klimaschutz, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Es geht dabei um die Resilienz unserer Gesellschaften und Standorte angesichts wachsender Risiken durch Dürre, Starkregen und Überschwemmungen. Die Kommission schlägt dazu konkrete Maßnahmen vor, etwa die Wiederherstellung von Auen, Feuchtgebieten und Rückhalteräumen, die es zu unterstützen gilt. Mit neuen Finanzierungskonzepten und Öffentlichen-Privaten-Partnerschaften müssen wir in Deutschland und Europa mehr Tempo machen, um klare Ziele bei der Klimafolgenanpassung zu definieren und umzusetzen. Die Herausforderungen sind längst konkret, die Antworten dürfen nicht länger abstrakt bleiben.”
Im Zentrum der Wasserstrategie steht dabei der Grundsatz: Prävention ist kein Nebenschauplatz, sondern die Hauptaufgabe. Das Ziel ist es, Risiken nicht nur zu managen, sondern ihnen systematisch vorzubeugen – und Europa so krisenfester zu machen.
Europa stellt auf Vorsorge um – Wasser als strategisches Gut
Die neue Wasserstrategie verfolgt einen umfassenden und sektorübergreifenden Ansatz. Sie verbindet naturbasierte Lösungen – wie die Renaturierung von Auen, Feuchtgebieten und Mooren – mit digitalen Werkzeugen, intelligenter Infrastruktur und gezielter Förderung wassersensibler Wirtschaftsweisen. Städte sollen als „Schwammstädte“ ausgebaut werden, um Wasser bei Starkregen zu speichern und langsam wieder abzugeben. Damit werden sowohl die Risiken durch Hochwasser reduziert als auch das Mikroklima verbessert.
Auch in der Landwirtschaft setzt die EU nicht auf Verbote, sondern auf Anreize und Beratung: Mithilfe der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) werden Landwirtinnen und Landwirte dabei unterstützt, wassersparende Bewirtschaftungstechniken wie Tröpfchenbewässerung oder Agroforstsysteme freiwillig zu erproben und umzusetzen. Das Ziel: Wasser effizienter nutzen, die Speicherfähigkeit der Böden verbessern und agrarische Flächen resilienter machen.
In der Industrie sollen Kreislaufwirtschaft, Abwassernutzung und intelligente Steuerungssysteme helfen, den Wasserverbrauch zu senken und Versorgungskrisen vorzubeugen. Besonders wasserintensive Prozesse – etwa in der Chemie, der Lebensmittelproduktion oder der Energieerzeugung – werden in den Blick genommen.
Prävention statt Katastrophenmanagement
Die Strategie berücksichtigt, dass viele der heutigen Schäden durch Extremwetter und Naturgefahren vermeidbar wären – wenn systematisch und vorausschauend geplant wird. Deshalb setzt sie auf vorbeugende Maßnahmen, die möglichst früh greifen: in der Raumordnung, in Bauleitplänen, in Investitionsentscheidungen.
Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, Prävention verbindlich zu verankern. Bis 2027 sollen nationale Pläne zur Wasserrahmenrichtlinie und zur Hochwasserrisikomanagementrichtlinie vollständig umgesetzt sein. Bis 2030 sollen großflächige Maßnahmen zur Wiederherstellung von Wasserspeichern greifen – und wasserbezogene Risiken integraler Bestandteil von Infrastruktur- und Stadtentwicklung werden.
Diese Anforderungen betreffen auch Deutschland. Trotz guter Ausgangslage – etwa durch starke Umwelttechnik und Pilotprojekte wie in Hamburg, Leipzig oder Berlin – bestehen nach wie vor Lücken in der Umsetzung bestehender EU-Vorgaben. Die dramatischen Ereignisse im Ahrtal 2021 haben gezeigt, was passiert, wenn Prävention zu spät kommt. Die neue Strategie macht deutlich: Eine vorausschauende Klimaanpassung ist keine Option mehr, sondern Voraussetzung für Sicherheit und Stabilität.
Die Rolle der Versicherungswirtschaft
Die Versicherungswirtschaft bringt langjährige Erfahrung im Umgang mit klimabedingten Naturgefahren mit – von Starkregen über Hochwasser bis zur Dürre. Sie kennt die Risikomuster, verfügt über umfangreiche Schadendaten und kann mit Hilfe von Risikomodellen belastbare Einschätzungen für konkrete Standorte und Szenarien liefern.
Versicherer analysieren nicht nur die Gefahrenlage, sondern fördern auch konkret vorbeugendes Verhalten – zum Beispiel durch Informationsangebote, Beratung zu baulichen Schutzmaßnahmen oder die Unterstützung kommunaler Risikoplanung. Immer stärker gewinnen auch innovative Versicherungslösungen an Bedeutung, die Anreize für Prävention setzen und Klimarisiken abbilden.
Als Gesamtverband setzt sich der GDV seit Jahren für eine stärkere politische Verankerung der Prävention ein. Ziel ist eine nationale Präventionsstrategie, die klaren Zuständigkeiten schafft, sektorübergreifend wirkt und ausreichend finanziell unterlegt ist. Naturbasierte, technische und ökonomische Instrumente müssen in einem kohärenten Rahmen zusammengeführt werden – damit Prävention planbar, messbar und wirksam wird.
Was jetzt zu tun ist
Mit der Water Resilience Strategy hat die Europäische Kommission einen klaren Handlungsrahmen gesetzt. Deutschland steht nun vor der Aufgabe, diesen ambitionierten Rahmen mit konkreten Maßnahmen zu füllen. Dazu gehört nicht nur die Überarbeitung der nationalen Wasserstrategie, sondern auch die konsequente Integration von Klimafolgenanpassung in Raumplanung, Städtebau, Förderprogramme und Infrastrukturinvestitionen. Auch eine stärkere Koordination der schon bestehenden Hochwasserschutzmaßnahmen, für die in Deutschland die Bundesländer verantwortlich sind, ist notwendig. Wasser macht nicht an Ländergrenzen halt.
Vor allem aber braucht es Tempo. Denn die Schäden durch Naturgefahren werden mit jeder zögerlichen Entscheidung größer. Eine strukturierte Vorsorgepolitik, wie sie die EU nun fordert, kann Leben schützen, Kosten senken und langfristige Resilienz schaffen. Die Versicherungswirtschaft steht bereit, diesen Weg mit Expertise und Erfahrung mitzugestalten.