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Klima

„Gesamtgesellschaftliche Aufgabe“

Der Weltklimarat fordert stärkere weltweite Klimaresilienz, weil die Folgen des Klimawandels bereits jetzt weltweit spürbar sind. Resilienz scheint auch angesichts von Krisen wie Pandemie und Krieg eine zukunftsfähige Wirtschafts- und Lebensform. Wie sollte Resilienz im Detail gestaltet sein? Auskünfte von Innen-Staatssekretärin Juliane Seifert.

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© Henning Schacht

Frau Seifert, warum brauchen wir Resilienz?
Juliane Seifert: Das Leben der Menschen und ihre Existenzgrundlagen waren schon immer von äußeren Gefahren bedroht. Früher waren das oft Gefahren, die jeder schnell als solche erkennen konnte: der Angriff eines wilden Tie­res, ein Erdrutsch oder ein Blitzschlag. In unserer modernen Gesellschaft sind die Gefahren, die uns bedrohen, oft abstrakter. Dies gilt insbeson­dere dann, wenn es sich nicht um singuläre Gefahren, sondern um komplexe Ereignisse handelt. Solche Ge­fahren können insbesondere in Kombination schnell ein katastrophales Ausmaß annehmen. Nehmen wir als Beispiel eine Zigarettenkippe, die an einem trocke­nen Sommertag einen Waldbrand auslöst. Resilienz be­zeichnet die Fähigkeit, die Bedrohung durch solche Ge­fahren zu erkennen, ihr tatsächliches Eintreten nach Möglichkeit zu verhindern beziehungsweise sich zu­mindest bestmöglich gegen sie zu wappnen. Resilienz umfasst darüber hinaus die Fähigkeit, sich von einer eingetretenen Katastrophe schnell zu erholen und aus ihrem Verlauf zu lernen.

Wer sollte an einer resilienten Gesellschaft mitwirken?
Seifert: Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegenüber mög­lichen Katastrophen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bund, Länder und Kommunen arbeiten hier eng zusammen und Hand in Hand mit den Hilfsorga­nisationen. Darüber hinaus sind aber alle gesellschaft­lichen Gruppen aufgefordert, an einer Verbesserung des Bevölkerungsschutzes mitzuwirken. Dies gilt für die Wissenschaft ebenso wie für die Medien, die Wirt­schaft und natürlich für jeden einzelnen Bürger, der aufgerufen ist, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die eigene Krisenfestigkeit durch Vorsorge zu erhöhen.

Welche Bausteine braucht Deutschland für eine Resilienz gegenüber Naturkatastrophen?
Seifert: Erkennen, Vorsorgen, Bewältigen und Nachbereiten – das sind die vier Bereiche des Krisenmanagements. Es beginnt damit, vorhandene Risiken zu erkennen und ihre Wirkweise zu verstehen. Nur aufbauend auf einer solchen Erkenntnis ist es möglich, eine effiziente Risiko­vorsorge zu entwickeln und somit das tatsächliche Eintreten einer Bedrohung erfolgreich zu verhindern. Auch Pläne für die möglichst reibungslose Bekämp­fung einer eingetretenen Katastrophe können nur dann zielführend entwickelt werden, wenn eine hinreichen­de Kenntnis über Art und Wirkungsweise potenzieller Gefahren besteht. Die Nachbereitung hat schließlich die Aufgabe, den Verlauf einer stattgefundenen Kata­strophe sowie die erfolgten Abwehrmaßnahmen aus­zuwerten und mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse die vorhandenen Pläne für Vorsorge und Bewältigung weiter zu verbessern.


Wie ist die Bevölkerung jetzt und in Zukunft in diesen Prozess eingebunden?
Seifert: Um die gesamtgesellschaftliche Resilienz dauerhaft zu verbessern, ist es von entscheidender Bedeutung, möglichst große Teile der Bevölkerung direkt einzube­ziehen. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger in den staatlichen Planungen nicht als hilflose Opfer, sondern vielmehr als aktive Partner gesehen werden, wird sich eine wirkliche Resilienzsteigerung realisieren lassen. Der von der Bundesministerin des Innern für das Jahr 2023 geplante Bevölkerungsschutztag ist ein Schritt in genau diese Richtung. An diesem Tag soll auf die Schutzmaßnahmen des Staates hingewiesen und zu­ gleich gezeigt werden, wie sich jeder selbst vor mögli­chen Gefahrenlagen und Katastrophen schützen kann. Um die Menschen bei ihren persönlichen Vorsorgeplanungen zu unterstützen, bietet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zu­ dem umfangreiches Informationsmaterial für eine ziel­gerichtete Notfallvorsorge an, zum Beispiel die Bro­schüre „Meine persönliche Checkliste“.

Was sollte dafür aktuell getan werden? Was tut die Bundesregierung?
Seifert: Um unsere Fähigkeiten im Bevölkerungsschutz best­möglich einzusetzen, sind Bund, Länder und Kommu­nen bereits eng miteinander verschränkt. Infolge der Hochwasserkatastrophe 2021 wurde das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz gegründet, um die Kooperation durch Bündelung aller relevanten Informationen in Bund und Ländern weiter zu verbes­sern. Hierdurch können künftige Bedrohungen noch schneller erkannt und entsprechende Abwehrmaßnah­men eingeleitet werden. Zudem erfolgt derzeit der Aufbau nationaler Reserven, um betroffene Menschen so schnell wie möglich un­terstützen zu können. Dazu gehört unter anderem das Modul 5000, die Beschaffung von Zeltstädten, die mo­bil im gesamten Bundesgebiet aufgebaut werden kön­nen und die für jeweils 5.000 Menschen Schlafplätze, Gesundheitsvorsorge, Strom und Wasser in kürzester Zeit zur Verfügung stellen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung „Die Deut­sche Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen“ beschlossen. Dieses umfangreiche Werk befasst sich mit zahlreichen Aspekten des Bevölke­rungsschutzes und soll als Grundlage dienen, um in den kommenden Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Ländern, den Kommunen und den Hilfsorgani­sationen die deutsche Resilienz weiterzuentwickeln.

Wo sehen Sie die Rolle der Versicherungswirtschaft?
Seifert: Die Versicherungswirtschaft ist ein wichtiger Ansprechpartner bei den Bemühungen, die Widerstandskraft ge­gen Katastrophen zu erhöhen. Insbesondere der Ab­schluss von Versicherungen ist ein tragender Baustein im Bereich der gesellschaftlichen Gefahrenvorsorge, nicht zuletzt, weil dadurch auch das Bewusstsein der Menschen für mögliche Katastrophen geschärft wird. Aber die Versicherungswirtschaft sollte bedenken, dass sie selbst zur „Kritischen Infrastruktur“ zählt. Um ihre dauerhafte Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit sicherzustellen, müssen auch die einzelnen Versiche­rungsgesellschaften ihre jeweilige Gefährdungssitua­tion kritisch hinterfragen. Auf diese Weise verbessern sie nicht nur ihre eigene Widerstandskraft gegen Kata­strophen, sondern tragen zugleich zu einer Verbesse­rung der Gesamtresilienz Deutschlands bei.

Welche Aufgabe übernimmt dabei die Prävention?
Seifert: Prävention ist Risikoerkennung und Vorsorge. Wir kön­nen nicht die Gefahren aus unserem Leben ausschlie­ßen, aber wir können durch Vorsorge besser mit Ge­fahren und möglichen Folgen umgehen.
 

Der Text ist ausgekoppelt aus dem aktuellen Naturgefahrenreport des GDV. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

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