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Regulierung

EU-Kleinanlegerstrategie: Für mehr Teilhabe der Bürger am Kapitalmarkt

Die geplante Kleinanlegerstrategie der EU soll Investitionen von Privatpersonen an den Kapitalmärkten fördern. Der GDV unterstützt dieses Ziel und bringt sich in die Debatte zu den verschiedenen Bausteinen der Strategie ein.

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© Francois Genon/Unsplash

Ziel der EU-Kleinanlegerstrategie soll der Zugang möglichst breiter Kreise der Bevölkerung zu Kapitalmarktprodukten sein. 

Obwohl Europa eine der höchsten individuellen Sparquoten der Welt aufweist, ist die Beteiligung von Kleinanlegern an den Kapitalmärkten im internationalen Vergleich gering. Aus diesem Grund bereitet die EU-Kommission eine Strategie „zur Förderung der Investitionen von Kleinanlegern (Retail Investment Strategy; RIS)“ vor.

Welche Vorschläge die EU-Kommission dabei konkret unterbreitet und welche Maßnahmen zur Umsetzung ergriffen werden sollen, wird nach heutigem Kenntnisstand erst Anfang Mai im Kollegium der Kommissare entschieden.

Verbesserung der finanziellen Verbraucherbildung

Finanzkompetenz in der Bevölkerung sieht die EU-Kommission als Voraussetzung für die bessere Teilhabe der Europäer an den Kapitalmärkten. Ein Ziel, das der GDV vollständig unterstützt.

Straffung und Modernisierung von Informations- und Offenlegungsvorschriften

Nur Informationen, die übersichtlich und verständlich sind, helfen dabei, informierte Finanzentscheidungen treffen zu können. Der GDV befürwortet ausdrücklich, dass sich die EU-Kommission damit beschäftigt, Überlappungen und Inkonsistenzen zu beseitigen und hat sich intensiv und konstruktiv in die Vorbereitungsarbeiten von EIOPA und EU-Kommission eingebracht. Der neue Standard sollte die digitale Bereitstellung von Informationen sein, flankiert von der Option, dass die Unterlagen in Papierform angefordert werden können. Die EU-Kommission will außerdem erreichen, dass die Informationen den Vergleich verschiedener Anlageprodukte untereinander ermöglichen. Bei Vergleichen muss aus Sicht des GDV insbesondere darauf geachtet werden, dass die Besonderheiten von Versicherungsprodukten vernünftig berücksichtigt werden.

Vergütungsmodelle sollen eine faire und unabhängige Beratung sicherstellen

Die zuständige EU-Kommissarin hat zur Erreichung dieses Ziels ein Provisionsverbot für die Vermittlung von Anlageprodukten, auch kapitalbildendenden Lebensversicherungen, in die Debatte eingebracht. Der GDV macht sich demgegenüber für die Koexistenz verschiedener Vergütungsformen stark. Zurzeit haben die Versicherungskundinnen und -kunden die Wahl, ob sie Versicherungen direkt beim Versicherer kaufen, Honorare an einen Berater zahlen oder die Vergütung des Vermittlers dem Versicherer überlassen. Diese Wahl soll nicht eingeschränkt werden.

Die Versicherungswirtschaft hält es für wichtig, dass die Kundinnen und Kunden die Interessenlage desjenigen verstehen, der sie berät oder ihnen Produkte anbietet. Dazu muss transparent sein, wie vergütet wird und wie die Kosten für Beratung und Abschluss die Leistungen des empfohlenen Produktes beeinflussen. Die existierenden europäischen und nationalen Vorgaben stellen das heute schon sicher. Sie sehen auch vor, dass weitere Informationen auf Nachfrage zu erteilen sind. Welche und wie – darüber kann man diskutieren.

Erleichterungen im Umgang mit qualifizierten Anlegern

Die praktischen Erfahrungen im Umgang mit den Vorschriften nach MiFID II haben gezeigt, dass Erleichterungen im Vertriebsregime für professionelle Kundinnen und Kunden hilfreich sein können. Unter der Voraussetzung, dass die Kriterien für die Kategorisierung objektiv und klar erkennbar sind, hält der GDV das für einen nachvollziehbaren Ansatz der EU-Kommission.

Neues Konzept zur Eignungsprüfung

Die EU-Kommission erwägt, die bestehenden Vorschriften zur Geeignetheitsprüfung neu zu gestalten. Die Bewertung soll auf den Kunden, nicht auf das Produkt bezogen werden. Das Ergebnis soll standardisiert und übertragbar sein. Ein entsprechendes Konzept war im Sommer 2022 von der EU-Kommission konsultiert worden. Das, was darin konkret vorgestellt wurde, lehnt der Verband ab, denn es passt nicht zu den Besonderheiten von Versicherungsprodukten. Auch die Idee, die individuellen Bewertungen und Empfehlungen eines Vermittlers portabel zu machen, um sie Wettbewerbern zur Verfügung zu stellen, lehnt der GDV ab.

Verpflichtung zur Information über die Existenz von Produkten Dritter

Vermittler sollen dazu verpflichtet werden, über Produkte anderer Anbieter zu informieren. Das lehnt der Verband für den Direktvertrieb, den angestellten Außendienst und den Vertrieb über gebundene Vertreter ab. Kundinnen und Kunden entscheiden frei, ob sie sich an den Versicherer direkt, an Vertreter eines Versicherers oder an jemanden wenden, der Produkte mehrerer Versicherer anbieten kann. Beim ersten Kontakt wird offengelegt, welches Produktspektrum mit dieser Wahl verbunden ist.

Einführung einer Zertifizierungspflicht für Finanzberaterinnen und Finanzberater

Zu den Überlegungen der EU-Kommission gehört auch die Einführung einer Zertifizierungspflicht kombiniert mit einem neuen EU-Label für Finanzberaterinnen und Finanzberater. Da es bereits europäische Initiativen gibt, die Aus- und Weiterbildung vergleichbar machen, ist ein weiteres EU-Label aus Sicht des GDV aber überflüssig.

Vorgaben zum Preis-Leistungs-Verhältnis von Produkten

Selbstverständlich müssen Produkte ihren Kunden Nutzen bringen („value for money“). Die aktuellen Regelungen zu Product Oversight and Governance verlangen von den Versicherern, dass sie nur Produkte anbieten, die den Bedürfnissen und Zielen der Kundinnen und Kunden entsprechen. Der Nutzen von Versicherungsanlageprodukten geht über das Erzielen von Rendite hinaus. Auf jeden Fall müssen daher die Besonderheiten wie der Risikoschutz und das kollektive Sparen bei Versicherungen berücksichtigt werden. Die Preisbildung im Einzelnen sollte zudem weiterhin dem Wettbewerb der Anbieter untereinander überlassen bleiben.

Komplexität von Produkten

Eine möglicherweise beabsichtigte Differenzierung zwischen einfachen und komplexen Anlageprodukten ist aus Sicht der Versicherungswirtschaft problematisch. Versicherungsanlageprodukte haben im Vergleich zu reinen Kapitalanlageprodukten ein umfangreicheres Leistungsspektrum, insbesondere was Garantien, Risikominderungstechniken und die Absicherung biometrischer Risiken betrifft. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Produkte für Kundinnen und Kunden schwieriger zu verstehen oder gar gefährlicher wären, denn ihre Wirkung ist für sie vorteilhaft und einfach. Der Versicherer übernimmt die Risikosteuerung und sorgt etwa für lebenslange Rentenzahlungen. Das erhöht die Planbarkeit der Altersvorsorge und sichert Kundinnen und Kunden vor Risiken in der Kapitalanlage ab.

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