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Waldbrände mit neuester Technik bekämpfen

Jedes Jahr vernichten Waldbrände eine Fläche so groß wie Indien. Nun soll Technik helfen, die Flammen in Schach zu halten: Satelliten, Drohnen und Sensoren auf Windrädern versorgen Einsatzkräfte mit laufend aktualisierten Daten. Eine Reise in die Zukunft des Brandschutzes.

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© Getty Images / Oregon Department of Forestry

Die Erde brennt: Ob Kanada, Australien oder Amerika. Unzählige Wälder gehen von Tag zu Tag in Flammen auf. Neue Technologien sollen helfen, Brände schneller aufzuspüren.

Die Feuerwalzen waren kaum zu stoppen. Hunderte Waldbrände wüteten im Sommer 2021 allein an der Westküste Nordamerikas. Sie zerstörten Bäume und Häuser, verwüsteten Tausende Quadratkilometer Land. Glühend heiße Feuerwolken stiegen auf bis in zehn Kilometer Höhe. Bis Juli sind dieses Jahr in Kalifornien dreimal so viele Hektar verbrannt wie in der Rekordsaison des Jahres 2020. „Große Waldbrände wie in Kanada und den USA werden wir aufgrund des Klimawandels immer öfter sehen“, sagt Björn Stoffers von OroraTech. Das Start-up aus München plant deshalb, mithilfe von Satellitenbildern Feuer auf der ganzen Welt aufzuspüren und zu verfolgen. Eine dieser Aufnahmen zeigt die Umrisse Nordamerikas. Das Auge erkennt darauf ausgedehnte grüne Wälder. Darin stechen gelbe Punkte hervor. „Sie markieren Feuer, die im Westen des Kontinents brennen“, erklärt Stoffers. Die hellen Flecken sind unterschiedlich groß, einige berühren sich bereits, andere stehen isoliert. Schon Stunden später könnten sich einige Punkte auf der Karte vereinigt haben und die Lage anders darstellen. 

Satelliten scannen die gesamte Erde – aber noch nicht pausenlos

Informationen wie diese sind das Kapital von OroraTech. Bislang stützt sich das Unternehmen mit 50 Beschäftigten auf Wärmebildfotos von Satelliten, die die Erde bereits umkreisen. Das Problem dabei: Es gibt immer wieder Löcher von mehreren Stunden. Eine flächendeckende, pausenlose Kontrolle ist bisher noch nicht möglich. „Diese Lücke wollen wir schließen“, sagt Stoffers. Bis 2023 sollen 14 eigene Minisatelliten die Erde umrunden, 2026 bereits 100. Die zur Erde gefunkten Bilder wollen die Fachleute von OroraTech mit weiteren Daten kombinieren, etwa zu Wetter, Vegetation und Feuchtigkeit. Die daraus resultierenden Daten sollen auch Aufschluss über Waldbrandrisiken geben. 

Satellitenbilder: So sehen Waldbrände von oben aus

OroraTech ist ein Beispiel für die wachsende Zahl von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die mit Satellitentechnik den Kampf gegen heftige Waldbrände auf eine neue Ebene heben wollen. Die Veränderungen im Klima führen dazu, dass es in zahlreichen Weltregionen wärmer und trockener wird. Dadurch breiten sich Feuer schneller aus. Und das wird immer teurer. Laut dem Rückversicherer Munich Re ereigneten sich die größten der seit 1930 erfassten Waldbrände seit Beginn der 2000er-Jahre. Solche Brände verursachten 2018 weltweit einen Gesamtschaden von 24 Milliarden Dollar. Drei Viertel der Summe ging zu Lasten der Versicherer. Hohe Risiken gibt es in Kalifornien, Sibirien, Australien, aber auch in Südeuropa, wie die dramatischen Bilder aus Griechenland, Italien und der Türkei in diesem Sommer zeigen. In diesen und anderen Regionen vernichtete Feuer in den vergangenen Jahren Millionen Hektar Wald. Neben dem Klimawandel spielt an manchen Stellen das Wachstum von Siedlungen eine Rolle. Dort, wo immer mehr Menschen leben, im Übergang zwischen Stadtrand und Waldgebiet – gerade hier ist die Anforderung an den Brandschutz erhöht.

Fast immer sind Menschen für die Brände verantwortlich, mal aus Fahrlässigkeit mal aus Vorsatz

Zwar ist die Quelle jedes zweiten Waldbrands laut Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung nicht zu ermitteln. Sicher ist jedoch, dass zumindest in Deutschland fast immer der Mensch seine Hand im Spiel hat: Fahrlässigkeit und Vorsatz sind für Waldbrandgefahr und 40 Prozent der Feuer verantwortlich. Nur knapp fünf Prozent der Waldbrände haben natürliche Ursachen wie Blitzschläge. Selbstentzündungen kommen praktisch nicht vor. Gegen Waldbrände wappnen sich Menschen seit Jahrhunderten, auch mit vorbeugendem Brandschutz. Bewährtes Mittel waren lange Zeit Feuerwachtürme. Mit Fernglas bewaffnet, suchten dort Posten den Horizont nach Rauch ab. Mehr als 130 dieser Türme für den Brandschutz wurden bis 2001 allein in Brandenburg genutzt. Per Peilscheibe orteten die Wachen einen Brand und alarmierten die Zentrale per Funk oder Telefon. Die Hitze im Sommer begünstigt Waldbrände in Brandenburg. Da das Land dünn besiedelt ist, fällt manches Feuer nicht sofort auf.

In Brandenburg überwachen Sensoren den Wald, befestigt auf Windrädern und Mobilfunkmasten

Mittlerweile hat der Brandschutz technisch aufgerüstet. Seit 2002 ist in Brandenburg ein sensorgestütztes Waldbrandfrüherkennungssystem im Einsatz. Die Sensoren befinden sich an Windkraftanlagen, Mobilfunkmasten oder anderen Anlagen – mindestens fünf Meter über dem Boden. Der Datenstrom läuft in zwei Waldbrandzentralen zusammen. Dort werden die Informationen geprüft. Bei Bedarf verständigen die Beschäftigten die regionalen Leitstellen des Brand- und Katastrophenschutzes. Um Waldbrände zu erkennen, gibt es unterschiedliche Sensoren. Die einen liefern tagsüber die besten Daten, die anderen bei Nacht. Auch Farben lassen sich mit speziellen Sensoren erkennen. Thermische Infrarotsensoren hingegen können die Temperatur an den beobachteten Punkten bestimmen. Software ermittelt anhand der Daten ein möglichst realistisches Bild der Situation. So lässt sich schnell herausfinden, ob es tatsächlich brennt oder nur ein Schornstein zu sehr qualmt.

Auch Drohnen helfen beim Kampf gegen das Feuer. Doch sie funktionieren nur bedingt für den Brandschutz

Entsprechende Sensortechnik ist nicht nur für den Einsatz von Satelliten wichtig, sondern auch für Drohnen. Brandbekämpfer setzen die unbemannten Flugkörper immer häufiger im Kampf gegen Großfeuer ein, um sich ein genaues Bild von der Lage zu machen. Dirk Aschenbrenner von der Feuerwehr Dortmund ist an einem Projekt beteiligt, das den Drohneneinsatz auch für Waldbrände erforscht. „Im April 2020 wurden bei einem Feuer im Raum Viersen erstmals unsere Hilfe angefordert“, sagt Aschenbrenner. Dabei zeigte sich auch, woran die Entwickler noch arbeiten müssen. Denn Drohnen orientieren sich, indem sie gespeicherte Landkarten mit der Topografie unter sich vergleichen. Ist das Gelände verbrannt, funktioniert die Kontrolle nicht mehr. Deshalb greifen Feuerwehren heute eher in frühen Phasen eines Brandes auf Drohnen zurück. Der Einsatz von Drohnen bietet sich auch an, wenn es für Menschen nahe dem Unglücksort zu gefährlich wird.

Um Wälder vorbeugend zu überwachen, seien Drohnen jedoch kaum geeignet, sagt Ulrich Cimolino, Vorsitzender des Arbeitskreises Waldbrand im Deutschen Feuerwehrverband. Die betroffenen Gebiete müssten pausenlos überflogen werden, was sehr aufwendig und teuer wäre. Satelliten sind dafür das bessere Mittel. Ein Experte auf diesem Gebiet ist Kai Fabian Fürstenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen. Er ist überzeugt: „Für den vorbeugenden Brandschutz in Wäldern sind Satelliten die Zukunft.“ Den Schwerpunkt sieht er in der Vorbeugung. Denn mithilfe von Satellitendaten lassen sich besonders gut Abschnitte erkennen, in denen eine erhöhte Waldbrandgefahr besteht.

Erst die Kombination unterschiedlicher Datenquellen liefert ein vollständiges Bild für den Brandschutz

Die so ermittelten Daten können zum Beispiel in Waldbrandgefahrenindizes einfließen. Diese geben das Risiko eines Feuers aus Informationen wie Bewuchs, Feuchte, Temperatur und Wind an. Mit Satellitendaten lassen sie sich noch genauer und aktueller berechnen – vorausgesetzt, die Auflösung ist so gut, dass sie die notwendigen Details auch erfassen. Für den vorbeugenden Brandschutz ist es zum Beispiel wichtig zu wissen, wo vertrocknete Pflanzen die Feuergefahr erhöhen. Oder wo die Flammen vom Wald auf ein Feld übergreifen würden. Diese Informationen sind etwa für Bahngesellschaften interessant. „Sie können bei erhöhtem Risiko an bestimmen Stellen die Brandlast entlang der Gleise entfernen lassen“, sagt Fürstenberg. Die Daten lassen sich im Notfall durch Drohnenflüge ergänzen. Der Brandschutzexperte ist sich sicher, dass die Kombination von Satelliten- und Drohnentechnologie ein wichtiges Mittel der Früherkennung von Waldbränden werden wird.

Satelliten können mehr als vor Gefahren warnen. Sie können auch Schäden beziffern

© OroraTech GmbH

Ganz schön hoch: Mithilfe von Satelliten werden Waldbrände von oben fotografiert. So können Experten das Ausmaß der Brände schneller bewerten.

Der Einsatz von Satelliten muss genau geplant werden. Um das Risiko eines Waldbrands in Deutschland einzuschätzen, wären Bilder notwendig, die möglichst viele Einzelheiten erkennen lassen, zum Beispiel Waldwege oder Wasserspeicher. Denn hierzulande müssen Brände sofort gelöscht werden – allein schon wegen der hohen Bevölkerungsdichte. Breitet sich ein Waldbrand hingegen in unbewohnten Gegenden aus, müssen Satelliten Bilder liefern, die Flächen im großen Maßstab zeigen. Das ist besonders dort der Fall, wo weder Menschen noch Infrastruktur unmittelbar in Gefahr sind. „In der sibirischen Taiga etwa sind manche Brände ohnehin zu abgelegen, um sie zu löschen“, sagt Fürstenberg. Trotzdem ist es auch in diesen Fällen wichtig zu wissen, wohin sich das Feuer ausbreitet und wie groß es ist. Firmen wie OroraTech wollen Satelliten allerdings nicht nur zum Aufspüren und Beobachten von Waldbränden einsetzen. Vom Orbit aus sollen sie künftig auch helfen, die verursachten Schäden zu beziffern.

Wie der Wald versichert ist

Nur ein Teil des deutschen Waldes ist gegen Schäden durch Brände versichert, meist handelt es sich dabei um Wälder in privater Hand. „Aber auch deren Besitzer entschließen sich nicht immer für eine Versicherung“, sagt Katharina Messerer von der Versicherungsstelle Deutscher Wald (VSDW) – einer zentralen Anlaufstelle für Waldbesitzer in Fragen der Risikoabsicherung, die mit dem Versicherer Axa zusammenarbeitet. Bund, Länder und Kommunen, denen die anderen 50 Prozent des deutschen Waldes gehören, verzichten in der Regel auf eine Versicherung.

Ob und wie ein Wald versichert wird, hängt vor allem von seiner Lage ab. In Brandenburg, Niedersachsen und Teilen Sachsen-Anhalts ist der Anteil des versicherten Waldes höher. Denn dort brennt es öfter als in anderen Bundesländern – was auch mit den vorherrschenden Baumarten zu tun hat. „In Kiefernmonokulturen zum Beispiel ist das Risiko eines Feuers höher als in Mischwäldern“, sagt Messerer.

Kommt es zum Waldbrand, zahlt die Versicherung für vernichtete Bäume sowie für geschlagenes Holz, das im Wald lagerte. Aber auch Lösch- und Abräumkosten werden erstattet sowie – je nach Rechtslage – die Kosten für das Wiederaufforsten. Der Versicherungsbeitrag richtet sich nach Risikolage, Größe der Fläche, Alter und Art der Bäume sowie der Versicherungssumme.

Text: Heimo Fischer


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