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Klima

"Die Spitzenerträge sind auf jeden Fall weg"

Fehlender Regen schmälert erneut die Ernteerträge. Bauern passen sich an die zunehmende Trockenheit an, auch mithilfe von Versicherungen, so GDV-Landwirtschaftsexperte Rainer Langner. Damit diese sich durchsetzen, brauche es aber staatliche Hilfe.

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© Thomas Kienzle / AFP

Wegen des fehlenden Regens sind viele Ackerböden sehr trocken, wie hier auf einem Feld in Fellbach nahe Stuttgart.

Herr Langner, das Frühjahr zählt nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes zu den sechs trockensten seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Droht den Bauern das dritte Dürrejahr in Folge?
Rainer Langner: Angesichts der jüngsten Niederschläge ist die große Gefahr in vielen Regionen erst einmal gebannt. Für Mais, Zuckerrüben oder Kartoffeln kommt der Regen gerade zur rechten Zeit, sie können das Wasser noch gut aufnehmen. Bei den Winterkulturen – Weizen, Gerste oder Raps – sieht die Lage anders aus. Sie profitieren nicht mehr von den Regenfällen. Die Spitzenerträge sind auf jeden Fall weg.

Wir groß sind die Einbußen bislang?
Langner:
Bei Weizen, der größten Anbaukultur hierzulande, dürften die Erträge leicht unter dem Vorjahr liegen. Bei Wintergerste sind die Einbußen größer, da hat es Anfang Mai die Bestände großflächig umgeworfen: Ich schätze die Erträge auf zehn Prozent unter dem Mittel der letzten Jahre, die ja auch schon nicht sehr rosig waren.

Sind drei trockene Jahre hintereinander noch eine normale Wetterschwankung? Oder zeigen sich hier schon die Folgen des Klimawandels?
Langner:
Es ist der Klimawandel, da sind sich eigentlich alle einig. Mit der Erderwärmung verändert sich der Jetstream, der großen Einfluss auf das Klima in unseren Breiten hat. Extremwetterlagen werden immer stabiler – verbunden mit lang anhaltender Trockenheit wie 2019 oder 2018. Aber auch mit langen Phasen starker Niederschläge so wie 2017. Das ist dann das andere Extrem.

Wie gehen die Bauern mit dieser Situation um?
Langner:
Sie versuchen sich anzupassen, so gut es geht. Sie schwenken beispielsweise auf Sorten um, die stabiler gegen Dürre sind, oder bauen ihre Beregnungskapazitäten aus. Es werden auch immer mehr Landwirte, die eine größere Breite an Früchten aussähen – und so ihr Risiko minimieren.

Welche Rolle spielen Versicherungen bei der Risikominimierung?
Langner:
Die Nachfrage nach Dürreabsicherungen zieht spürbar an, das stellen wir deutlich fest. Das Problem ist nur, dass in einer Phase, in der die Erträge ohnehin unter Druck stehen, sich die Bauern mit zusätzlichen Ausgaben schwer tun. Und eine Dürreversicherung ist nun mal nicht so günstig.

Warum ist das so?
Langner:
Einmal wegen des Schadenpotenzials. Eine lang anhaltende Trockenheit kann einen Landwirt schnell 30, 40 oder gar 50 Prozent seiner Erträge kosten. Das haben wir in den vergangenen Jahren durchaus erlebt. Und dann trifft es auch nicht nur einen Bauern, sondern gleich sehr viele auf einmal. Dieses Risiko müssen Versicherer einkalkulieren. Dazu kommt die steigende Eintrittswahrscheinlichkeit.

Seit Jahresanfang gilt ein vergünstigter Steuersatz für die Dürreversicherung: 0,03 Prozent auf die versicherte Summe statt 19 Prozent der Prämie. Sind die Produkte damit nicht erschwinglicher geworden?
Langner:
Die Ermäßigung fällt kaum ins Gewicht. Wenn man eine flächendeckende Durchdringung der Dürreversicherung erreichen möchte, muss es eine staatliche Kofinanzierung geben. Die Bezuschussung der Prämie ist ein etabliertes Instrument in der europäischen Agrarpolitik, und viele Länder machen ja auch davon Gebrauch.

Warum nicht auch Deutschland?
Langner:
Andere Länder haben die Folgen des Klimawandels längst erkannt. Bei uns hieß es lange, Deutschland sei ein „Gunststandort“, die klimatischen Bedingungen seien besser als anderswo. Die vergangenen Jahre haben jedoch gezeigt, dass extreme Wetterereignisse zunehmen. Langsam merkt die Politik, dass der Klimawandel ankommt und Ad-hoc-Zahlungen zu einem unkalkulierbaren Risiko für die öffentlichen Haushalte werden. Baden-Württemberg hat nach den Erfahrungen 2017 den Systemwechsel ja schon eingeleitet.

Was ist da passiert?
Langner: Es gab dort seinerzeit verheerende Frostschäden im Obst- und Weinbau, die Landesregierung musste den Bauern mit 100 Mio. Euro aushelfen. Die Politik fasste damals den Entschluss, die Verbreitung der privaten Absicherung gegen Frost zu fördern, mit 5 Mio. Euro pro Jahr. Die Erfahrungen mit dem privat-öffentlichen Modell sind positiv. Ein Drittel der Obst- und Weinbauern hat nun eine Frostversicherung. Und die, die sie nicht haben, müssen und können die Verluste allein tragen.

Wäre das auch ein Modell für den Bund?
Langner: Ich denke schon. Und beide Seiten würden profitieren: Der Staat begrenzt sein Risiko, die Landwirte bekämen wiederum ihren tatsächlichen Schaden ersetzt und hätten mehr Verlässlichkeit. Ad-hoc-Zahlungen sind ja oft ungewiss – abhängig davon, ob es sich um eine nationale Notlage handelt oder nicht. Und oft bleibt es bei Pauschalen, die stark betroffenen Landwirten nicht wirklich helfen. Versicherungen setzen dagegen am individuellen Schaden an. 

Wie schnell ließe sich ein privat-öffentliches Absicherungsmodell einführen?
Langner: Kurzfristig nicht, die Agrarpolitik ist ja über mehrere Jahre festgezurrt. Wir hoffen aber, dass ab der Förderperiode 2022/23 solche Instrumente mit eingearbeitet werden.

Gespräch: Karsten Röbisch