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Demografie

Studie: Alterung belastet Länder-Finanzen ungleich

Der demografische Wandel reißt bis 2040 zusätzliche Lücken in die Etats der meisten Bundesländer, zeigt eine neue Studie. Ausnahme sind die Stadtstaaten und jene Länder, in denen die Alterung der Bevölkerung schon heute weit fortgeschritten ist.

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© unsplash

Die Bevölkerung Berlins altert nicht so schnell wie in anderen Bundesländern. Die demografieabhängigen Einnahmen der Hauptstadt liegen daher auch 2040 noch über den jeweiligen Ausgaben. 

Der demografische Wandel führt bis 2040 in vielen Bundesländern zu zusätzlichen finanziellen Belastungen. Einzig in Berlin und Hamburg übersteigen dann noch die altersabhängigen Einnahmen die entsprechenden Ausgaben, bei der Mehrheit reißt die Alterung der Bevölkerung hingegen Lücken in den Etat (siehe Tabelle). Dies zeigt eine aktuelle Studie aus dem Grünbuch „Alternde Gesellschaft“, das am Montag vom Demografie-Netzwerk Population Europe und dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin vorgestellt wurde.  

„Die Stadtstaaten profitieren von ihrer relativ jungen Bevölkerung. Auch in den Ländern, die bereits heute tendenziell überaltert sind, halten sich die budgetären Auswirkungen in Grenzen“, sagt Studien-Autorin Fanny Kluge. So halten sich auch in Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland die altersabhängigen Einnahmen und Ausgaben 2040 noch die Waage. Dagegen werden die heute wirtschaftsstarken Länder Bayern und Baden-Württemberg von der demografischen Entwicklung eingeholt. „Die Ausgaben für Ältere steigen besonders in Süddeutschland gravierend. In den nächsten Jahrzehnten vollzieht sich dort die gesellschaftliche Alterung, die anderswo bereits weiter vorangeschritten ist“, betont Kluge. 

Mittlere Altersgruppe zahlt Steuern, staatliche Transfers für Jüngere und Ältere 

Ihre Berechnungen fußen auf sogenannten Altersstrukturkostenprofilen des National Transfer Accounts-Netzwerks für Deutschland (www.ntaccounts.org). Sie zeigen, wie sich die Einnahmen und Ausgaben von Bund, Ländern oder Gemeinden abhängig von der Bevölkerungsstruktur verändern. Die Ausgaben der Bundesländer – etwa für Bildung oder Soziales – fokussieren sich auf jüngere und ältere Bevölkerungsgruppen. Ihre altersabhängigen Einnahmen speisen sich dagegen überwiegend aus den Steuern auf das Einkommen von Erwerbstätigen.   

Ökonomische und demografische Abwärtsentwicklung können sich verstärken 

„Die demografische und wirtschaftliche Entwicklung bedingen sich teilweise“, sagt Andreas Edel, Leiter des Demografie-Netzwerks Population Europe und Herausgeber des Grünbuchs. Strukturschwache Gegenden werden durch Abwanderung weiter geschwächt und verlieren an Attraktivität. „Wir müssen uns deshalb mit der Frage auseinandersetzen, wie wir den Teufelskreis aus alternder Bevölkerung und schrumpfenden finanziellen Ressourcen durchbrechen können“, so Edel. 

Politik muss stärkeren Fokus auf Gestaltung des demografischen Wandels legen  

„Deutschland steht an einem demografischen Wendepunkt“, sagt GDV-Geschäftsführer Peter Schwark. Das Ausscheiden der Baby-Boomer aus dem Erwerbsleben werde die Probleme verschärfen. „Trotz der aktuellen Krisen muss die Politik ihren Fokus stärker auf die Gestaltung des demografischen Wandels legen“, betont Schwark.   

Demografischen Faktor in den Länderfinanzausgleich integrieren 

Für die Länderfinanzen schlägt Studienautorin Kluge beispielsweise ein neues Förderinstrument für überalterte und strukturschwache Regionen in Ost und West vor. „Denkbar ist die Einführung eines demografischen Faktors in den Länderfinanzausgleich nach Auslaufen des Solidarparkts II.“ Zusätzlich könnten stark altersabhängige Ausgaben auf den Bund verlagert werden. Zudem könnten Kommunen oder Länder, die junge Menschen ausgebildet haben, einen Ausgleich erhalten von den Regionen, in die die Menschen nach Ende ihrer Ausbildung ziehen – ähnlich wie im Fußball. „Ausbildungsvereine erhalten eine Entschädigung, wenn junge Spieler zu einem anderen Klub wechseln, und werden auch an künftigen Transfereinnahmen beteiligt“, so Kluge. 

Altersabhängige Einnahmen und Ausgaben der Bundesländer in Mrd. Euro 

2025 

2040 

Einnahmen 

Ausgaben 

Saldo 

Einnahmen 

Ausgaben 

Saldo 

Baden-Württemberg 

42,2 

40,8 

1,4 

41,4 

41,7 

-0,3 

Bayern 

50,1 

47,9 

2,2 

48,7 

48,9 

-0,2 

Berlin 

14,4 

13,6 

0,8 

14,7 

14,2 

0,5 

Brandenburg 

9,3 

9,2 

0,1 

8,6 

8,7 

-0,1 

Bremen 

2,6 

2,5 

0,1 

2,4 

2,4 

Hamburg 

7,2 

6,8 

0,4 

7,4 

7,3 

0,1 

Hessen 

23,7 

23 

0,7 

23 

23,2 

-0,2 

Mecklenburg-Vorpommern 

5,8 

5,7 

0,1 

5,3 

5,3 

Niedersachsen 

29,6 

28,9 

0,7 

28,1 

28,7 

-0,6 

Nordrhein-Westfalen 

66,3 

64,6 

1,7 

62,8 

63,9 

-1,1 

Rheinland-Pfalz 

15,2 

14,8 

0,4 

14,4 

14,7 

-0,3 

Saarland 

3,6 

3,4 

0,2 

3,2 

3,2 

Sachsen 

14,7 

14,6 

0,1 

13,7 

13,8 

-0,1 

Sachsen-Anhalt 

7,7 

7,6 

0,1 

6,6 

6,7 

-0,1 

Schleswig-Holstein 

10,8 

10,5 

0,3 

10,2 

10,4 

-0,2 

Thüringen 

7,6 

7,4 

0,2 

6,6 

6,7 

-0,1 

Quelle: Fanny Kluge im Grünbuch „Alternde Gesellschaft II“; National Transfer Accounts Deutschland, 14. Koordinierte Bevölkerungsprognose, eigene Berechnungen der Autorin 
Berechnungen basieren auf aktuellen Altersprofilen und heutigen Preisen, Faktoren wie bspw. eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen oder Lohnsteigerungen sind nicht berücksichtigt 

Das Grünbuch „Alternde Gesellschaft II“ enthält folgende fünf wissenschaftliche Beiträge: 

  • Tilman Mayer (Universität Bonn): Lebensstile verändern – gesundes Altern unterstützen. Sollten Politik und Gesellschaft Einfluss auf das individuelle Altern nehmen? 
  • Fanny A. Kluge (Population Europe / Bezirksamt Pankow): Die demografische Lage der Bundesländer – eine Herausforderung für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse 
  • Marc Luy (Vienna Institute of Demography): Entwicklung der gesunden Lebensjahre in Deutschland. Kompression versus Expansion der Morbidität und die Bedeutung des Gesundheitsindikators 
  • Nadine Diersch (Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, jetzt Neotiv GmbH): Die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter und die Früherkennung und Prävention neurodegenerativer Veränderungen mit Hilfe mobiler Technologien 
  • Peter Eibich (Max-Planck-Institut für demografische Forschung): „Wer rastet, der rostet?” – Engagement und Gesundheit im Alter