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Schaden & Unfall

Wie Transportversicherer Cyberattacken und überregionalen Stromausfällen begegnen

Die Prozesse der Transport- und Logistikbranche werden täglich digitaler und vernetzter. Das hat ohne Zweifel immense Vorteile – doch es entstehen auch systemische Risiken. Fallen Informationstechnologien oder Infrastrukturen großflächig aus, kann das katastrophale und kaum übersehbare Folgen für die globalen Warenströme haben. Um die Risiken erkennbar und beherrschbar zu machen, schlägt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft eine neue Klausel für Transportversicherungen vor.

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© Metamorworks/GettyImages

Bei einem Cyberangriff oder einem Stromausfall werden die vielen kleinen Vorteile der weltweiten Vernetzung zu einem großen Nachteil.

Der Transport von Waren ist seit jeher mit großen Risiken verbunden, nicht umsonst wird der Seehandel schon seit mehreren tausend Jahren abgesichert. Heute wirkt es selbstverständlich, dass die richtigen Güter unversehrt zur richtigen Zeit am richtigen Ort ankommen – aber das ist es gar nicht. In der global vernetzten Welt müssen dafür diverse Akteure über mehrere Transportmittel, alle Klima- und Zeitzonen, Länder- und Zollgrenzen zusammenspielen. 

Das klappt nicht immer: Mal brennt ein Lager, dann sinkt ein Schiff, hier wird wertvolle Fracht vom Lkw gestohlen, da reißen Naturgewalten Brücken und Schienenwege weg. Alles bekannte und für das Gesamtsystem keine großen Probleme; denn die entstehenden Schäden sind lokal begrenzt, passieren nicht alle gleichzeitig – und sind in aller Regel versichert. Den Wortlaut der neuen Cyber-/Blackout-Klausel und weitere Informationen finden Sie im Transport-Informations-Service der Deutschen Transportversicherer.

Mit der Digitalisierung entstehen neue Risiken

Aber: Mit der Digitalisierung der Transport- und Logistikbranche kommen neue Risiken dazu – und die haben es in sich. Heute be- und entladen Kräne automatisch ganze Containerschiffe, überwachen Sensoren die Waren, sorgen digitale Frachtvermittlungsplattformen dafür, dass Lkws, Züge und Schiffe optimal ausgelastet sind, können Kunden in Echtzeit verfolgen, wo ihre Lieferung ist und wann sie mit ihr rechnen können. Das hat Vorteile für alle – solange alles gutgeht. 

Doch daran hat längst nicht Jeder Interesse. Für Cyberkriminelle und feindliche Hacker wäre eine breit angelegte Attacke wohl ein wahres Fest: Sie könnten Lieferketten zerreißen, Warenströme zum Erliegen bringen, Güter verderben lassen, Schäden in Milliardenhöhe verursachen, ganze Volkswirtschaften empfindlich treffen. Das gleiche Szenario droht bei einem großflächigen Ausfall der Infrastruktur, etwa bei einem überregionalen und tagelangen Stromausfall.

Cyberangriff auf die Reederei Maersk kostete Hunderte Millionen Dollar

Unwahrscheinlich? Überhaupt nicht. Wie bei einer globalen Pandemie ist die Frage weniger ob, sondern vielmehr wann ein katastrophales Ereignis die Transport- und Logistikbranche trifft. Dann werden die vielen kleinen Vorteile der weltweiten Vernetzung zu einem großen Nachteil – oder auf Versicherungsdeutsch: zum Kumulrisiko. Welche Schäden entstehen könnten, ist kaum zu überschauen und für Transportversicherer daher nur schwer zu kalkulieren. Allein der Cyberangriff auf die Reederei Maersk im Jahr 2017 kostete den Logistikriesen wohl mehrere hundert Millionen Dollar – und da war zwar eine große, aber eben auch nur eine Reederei direkt betroffen. 

Doch was passiert, wenn nicht einzelne Akteure angegriffen werden, sondern das ganze System? Müssten die Transportversicherer alle Kunden gleichzeitig entschädigen, würde das Versicherungsprinzip ausgehebelt – schließlich funktioniert eine Versicherung gerade dadurch, dass einzelne, aber nicht alle Versicherte zur gleichen Zeit Hilfe brauchen. Daran hat sich seit der Schutzgemeinschaft der phönizischen Seehändler nichts geändert.

Mit einer entsprechenden Vertragsklausel lassen sich die Risiken besser erkennen, kalkulieren und begrenzen

Um durch eine solche Katastrophe nicht selbst überwältigt zu werden, müssen Transportversicherer also ihr Risiko erstens kennen, zweitens kalkulieren und drittens auf ein angemessenes und wirtschaftlich vernünftiges Maß begrenzen. Genau dafür hat der GDV jetzt eine neue Vertragsklausel für die Transportversicherung vorgeschlagen. Mit ihr können Transportversicherer Schäden durch einen überregionalen Blackout oder einen Cyberangriff grundsätzlich erst einmal ausschließen – um dann mit den Kunden konkret zu vereinbaren, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Cyberschäden gegebenenfalls wieder versichert werden.

Ein solches Vorgehen hat Vorteile für beide Seiten: Die bisher versteckten Gefahren – die sogenannten Silent Cyber Risks – rücken in den Fokus und werden sichtbar. So können nicht nur die Transportversicherer Risiken besser kalkulieren und wirksam begrenzen; auch die Kunden aus der Transport- und Logistikbranche lernen ihre Risiken besser kennen und stärken die Prävention – was im Idealfall dabei hilft, dass zumindest die größten Katastrophen auch in Zukunft ausbleiben.