Zur Suche
Nachhaltigkeit

GDV: Kapitalanforderungen zu Fossil-Fuel-Risiken heute schon angemessen

Die Europäische Versicherungsaufsicht EIOPA hat untersucht, ob das Versicherungsaufsichtsregime Solvency II Nachhaltigkeitsrisiken, insbesondere von Fossil-Fuel-Assets, angemessen berücksichtigt. Aus Sicht des GDV werden diese Risiken bereits heute angemessen abgebildet. Eine Änderung der Standardformel ist nicht notwendig.

Lesedauer
© Unsplash / Jose Duarte

Sind vor allem Fossil-Fuel-Assets, also Kapitalanlagen im Zusammenhang mit fossilen Energieträgern, riskanter als andere Kapitalanlagen? Hat das möglicherweise Auswirkungen auf die Solvenzlage von Versicherern oder auf die Finanzstabilität? Und wenn ja, sollten für Fossil-Fuel-Assets Risikoaufschläge und höhere Kapitalanforderungen gelten? Im Dezember 2023 veröffentlichte die European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) ihre Antworten im Konsultationspapier zur aufsichtsrechtlichen Behandlung von Nachhaltigkeitsrisiken (PDF) und stellte mögliche Handlungsoptionen zur Diskussion. Neben den Transitionsrisiken verschiedener Vermögenswerte beim Übergang in eine klimaneutrale Welt wurden auch klimabezogene versicherungstechnische Risiken der Schaden- und Unfallversicherung sowie soziale Risiken untersucht. Der GDV hat Ende März dazu Stellung genommen. Zuvor hatte die EIOPA bereits Ende 2022 ein Diskussionspapier zu methodischen Vorgehensweisen konsultiert.

EIOPA bringt erhöhte Kapitalanforderungen für Fossil-Fuel-Assets ins Spiel

EIOPAs Analyse stützte sich auf Zeitreihen aus der jüngeren Vergangenheit, die durch Zukunftsszenarien ergänzt werden. Dabei stellte die limitierte Datenhistorie die EIOPA vor Herausforderungen. Falls es spezielle Transitionsrisiken bestimmter Assets gibt, dürften sich diese erst in den letzten Jahren gezeigt haben. Nachhaltigkeitsdaten reichen nur wenige Jahre zurück. Zudem schränkten die teilweise sehr geringen Datenstichproben die Belastbarkeit der Ergebnisse ein. In Zukunft könnten CSRD-Nachhaltigkeitsinformationen die Datengrundlage verbessern.

Dennoch hält die EIOPA Fossil-Fuel-Assets tendenziell für riskanter   als andere Kapitalanlagen, da sie in der jüngeren Vergangenheit höheren Schwankungen unterlagen: In dem Beobachtungszeitraum 2010–2021 hatten Fossil-Fuel-Aktien mit einem sog. value at risk von ca. 56 % ein höheres Verlustpotential als Aktien anderer Sektoren (value at risks zwischen ca. 10–43 %). Dies könnte aus EIOPAs Sicht eine spezielle Behandlung in der SCR-Standardformel rechtfertigen. Daraus leitet EIOPA verschiedene Optionen ab, ohne jedoch eine davon zu empfehlen:

  •  Keine Änderungen in der Standardformel für Fossil-Fuel-Aktien bzw. -Anleihen.
  • Standardmäßig höhere Risikokategorien für Aktien bzw. Anleihen (Aktienrisiko Typ 2 bzw. schlechtere Bonitätsstufe für Anleihen).
  • Erhöhung von Risikofaktoren (bspw. für Fossil-Fuel-Aktien um 17 Prozentpunkte, für Fossil-Fuel-Anleihen um einen Faktor von bis zu 1,4). 

Im Gegensatz zu den Assets hält EIOPA eine spezielle aufsichtsrechtliche Behandlung von versicherungstechnischen Risiken der Schaden-/Unfallversicherung oder von sozialen Risiken nicht für notwendig.

GDV: Keine Änderung der Standardformel notwendig

Der GDV hat sich in seiner Stellungnahme zur Konsultation gegen Änderungen in der Solvency-II-Standardformel zur Ermittlung der Kapitalanforderungen (SCR) ausgesprochen. Die Standardformel sollte die wesentlichen Risiken abbilden und auf ausreichender Evidenz beruhen. Der GDV sieht zwar durchaus höhere Transitionsrisiken für Fossil-Fuel-Aktien, die sich aber schwer genau beziffern lassen. Dies ist auch nicht nötig, da die Standardformel bereits die wesentlichen Risiken für alle Aktien – also auch aus dem Fossil-Fuel-Sektor – insgesamt abdeckt. Zudem ist deren Anteil in der breit diversifizierten Kapitalanlage der Versicherer so klein, dass mögliche Auswirkungen auf Finanzstabilität und Solvenzlage verschwindend gering wären. Um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, achtet die deutsche Versicherungswirtschaft ohnehin auf Nachhaltigkeit. Die exakte Kalibrierung der Standardformel spielt an dieser Stelle nur eine nachgeordnete Rolle.

EIOPAs Ergebnisse für das Spreadrisiko für Fossil-Fuel-Anleihen hält der GDV wegen der kleinen Datenbasis nur für eingeschränkt belastbar. Inzwischen berücksichtigen die für die Bonitätsbewertung genutzten Anleihen-Ratings Transitionsrisiken auch viel stärker. Die höhere Datenverfügbarkeit wird die Ratings in den nächsten Jahren weiter verbessern. Eine zusätzliche Anpassung der Solvency-II-Standardformel würde daher zu einer „Doppelzählung“ und Überschätzung der Transitionsrisiken führen.

Versicherer sind bereits heute verpflichtet, in ihren Risiko- und Solvenzanalysen die Auswirkungen des Klimawandels abzuschätzen, um ggf. ihre Geschäftsstrategie und das Risikomanagement darauf einzustellen.

Inhaltstyp
Schlagworte