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Automatisiertes Fahren

„Noch ein sehr langer Weg“

Kaum rollen in San Francisco die ersten autonom fahrenden Taxis, gibt es schon Probleme. Im Interview spricht Unfallforscher Siegfried Brockmann über den Stand der Technik und verrät, ob er in ein Robotaxi steigen würde.

Karsten Röbisch (© Christian Kruppa / GDV)
Karsten Röbisch
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© Remy Gieling / Unsplash

Die General Motors-Tochter Cruise ist einer von zwei Anbietern, die in San Francisco autonom fahrende Taxis anbieten.

Herr Brockmann, sind Sie eigentlich schon mal autonom Auto gefahren?
Siegfried Brockmann:
Bislang noch nicht. Das höchste der Gefühle war automatisiertes Fahren der Stufe 3, bei der das Fahrzeug in eng definierten Situationen selbstständig fährt. Ich bin aber demnächst aus privaten Gründen in San Francisco. Da hätte ich die Gelegenheit, mal eines der Robotertaxis auszuprobieren, die dort bereits fahren.

Und, Lust auf eine Spritztour?
Brockmann:
Ich bin ehrlich gesagt sehr skeptisch. Vielleicht schaue ich mir die Dinger von außen an, aber einsteigen? Alles, was man bislang dazu hört, ist nicht unbedingt vertrauenserweckend. Erst jüngst ist ja ein Robotaxi mit einem Feuerwehrfahrzeug zusammengestoßen. 

Der Anbieter musste daraufhin die Zahl seiner Fahrzeuge reduzieren. Es war auch nicht die erste Panne dieser Art. Schon zuvor blieben Taxis urplötzlich stehen, verstopften Rettungswege und behinderten den Verkehr. Warum sind die Fahrzeuge trotz solcher Probleme überhaupt unterwegs?
Brockmann: Das ist schwer einzuschätzen. Ich denke, es gab einen starken ökonomischen Druck. Autonomes Fahren bringt wirtschaftliche Vorteile gegenüber all jenen, die Fahrzeuge mit Fahrern bewegen, sprich Taxen oder Lkw. Es gab ja auch gegenläufige Stimmen, zum Beispiel von der Stadtverwaltung, die das in dieser Form eigentlich nicht wollte. Sie haben sich aber nicht durchgesetzt.

Ist das eine typisch amerikanische Haltung, mehr die Chancen zu sehen als die Risiken? Oder wäre das auch in Deutschland möglich?
Brockmann:
Wir haben in Deutschland eigentlich besser agiert. Wir haben immerhin früh ein Gesetz zum automatisierten und autonomen Fahren verabschiedet, das technische Auflagen macht. Aber auch Zugeständnisse, damit entsprechende Fahrzeuge früh in den Verkehr gebracht werden können. Ich glaube, wir hatten bisher vor allem den großen Vorteil, dass sich die Hersteller und Betreiber selbst fragen, ob sie tatsächlich so weit sind und ob sie die Verantwortung schon auf sich nehmen können. Sie agieren einfach vorsichtiger und machen nicht alles, was sie dürfen. 

Es gibt ja auch hierzulande schon Modellprojekte mit autonom fahrenden Fahrzeugen, beispielsweise ein Kleinbus auf Sylt. Was unterscheidet diese von den Robotaxis in San Francisco?
Brockmann:
In Deutschland bewegen sich die Fahrzeuge auf festgelegten Strecken, die vorher auf den Millimeter genau vermessen wurden. Damit ist von vornherein klar, wo sich die Fahrzeuge bewegen. Die Autos sind auch sehr konservativ ausgelegt: Sie fahren mit geringen Geschwindigkeiten, und wenn es mal hakt, bleiben sie stehen. Dann gibt es jemanden in einer Leitwarte, der sich das per Video ansehen und entscheiden kann, ob es weitergeht oder nicht. Das halte ich für vergleichsweise unproblematisch. Wenn man sich aber wie in San Francisco in den allgemeinen Stadtverkehr begibt, ändert sich ziemlich alles. Dann lässt sich die Verkehrssituation nicht mehr vorherbestimmen.

Nun wollen aber auch deutsche Kommunen autonom fahrende Busse einsetzen. Wann rechnen Sie mit Fahrzeugen ähnlich wie in San Francisco?
Brockmann: Automatisiertes Fahren in der Form, dass die Fahrzeuge in sämtlichen Verkehrssituationen in allen Stadtgebieten ohne Fahrerunterstützung fahren können, sehe ich auf längere Sicht in Deutschland noch nicht. Was ich nicht einschätzen kann, sind Technologie-Sprünge. Aber auf dem Stand der heutigen Rechnerkapazitäten halte ich das aus Sicherheitsperspektive in den nächsten Jahren für unrealistisch. Man kann die Autos zwar technisch schon so ausstatten, dass sie alles in ihrem Umfeld wahrnehmen. Das Entscheidende ist aber die Software. Wie schnell können die Autos auf Veränderungen in ihrer Umgebung reagieren? Bewegungen von anderen Autos lassen sich noch relativ genau abschätzen. Bei Radfahrern und Fußgängern ist das aber eben nicht so, weil die eben auch sehr spontan ihre Richtung ändern können. Da haben wir als Mensch einen deutlichen Vorteil, weil wir antizipieren können.

Wäre es nicht sowieso sinnvoller, autonome Fahrzeuge zunächst auf dem Land einzusetzen als in einer Stadt mit vielen Fußgängern und Radfahrern?
Brockmann: Der Gedanke ist naheliegend, schon weil die öffentlichen Verkehrsangebote in dünn besiedelten Regionen sowieso meist defizitär sind. Aber man darf auch nicht das Problem unterschätzen, das durch die höheren Geschwindigkeiten entsteht. Idealerweise gibt es exakt definierte Strecken, auf denen die Busse hin- und herpendeln. Verschiedene Konfliktsituationen ließen sich vorab mit dem Computer auch gut simulieren. Das halte ich für machbar. Aber eben auch noch nicht im nächsten oder übernächsten Jahr.

Wir haben bislang über autonom fahrende Busse oder Taxis gesprochen. Wie steht es um die Automatisierung des gesamten privaten Verkehrs?
Brockmann: Das ist noch ein sehr langer Weg. Die Industrie ist mit ihren Aussagen schon viel vorsichtiger geworden und hat das Rad wieder etwas zurückgedreht. Die Priorität liegt im Moment bei ökonomisch wichtigen Anwendungen – und eben nicht im Privatbereich. Weil man es noch nicht schafft, dass die Maschine besser ist als der Mensch. Das aber ist Voraussetzung.