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Gesellschaft

Das kleine Einmaleins der Finanzen

Rechnen, lesen und schreiben lernen sind die Basis jedes Stundenplans. Gut mit Geld umgehen zu können wird allerdings nicht gelehrt. Deutschland fehlt eine Finanzbildungsstrategie. Die Politik nimmt einen neuen Anlauf, das zu ändern.

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© Getty Images/fizkes

Finanzentscheidungen bestimmen das ganze Leben.

‚Kaufe jetzt, zahle später‘: Selbst der Kauf auf Pump taugt heutzutage auf Social Media als Trend. Insbesondere junge Menschen prahlen dort mit ihren offenen Beträgen – oft in vierstelliger Höhe. Das bringt ihnen vielleicht ein paar Likes, aber auch der Überschuldung einen Schritt näher.

Für Peter Kührt ist der sorglose Umgang mit Ratenkrediten exemplarisch. „Um die finanzielle Bildung in Deutschland steht es schlecht“, sagt der Berufsschullehrer für Bankkaufleute, der bereits zahlreiche Uni-, Schul- und Schülerprojekte betreut hat. Wissenslücken im Umgang mit Finanzen gebe es allerdings nicht nur bei der Jugend, sondern auch den älteren Menschen, wie Studien zeigten. „Auch für viele Erwachsene sind Geldanlage, Vertragsrecht oder Wirtschaftspolitik ein Buch mit sieben Siegeln“, so Kührt.

Eine Frage der Chancengleichheit

Die Politik will das nun ändern: Die Bundesregierung hat eine neue Initiative gestartet, mit der sie die finanzielle Bildung in der breiten Bevölkerung verbessern will. Denn egal ob Rente, Versicherungen, Miet- oder Handyverträge oder private Altersvorsorge – jeder Mensch muss im Laufe seines Lebens wirtschaftliche und finanzielle Entscheidungen treffen, was umso leichter fällt, je besser man sich damit auskennt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), dessen Ministerium an der Initiative beteiligt ist, sieht finanzielle Bildung daher auch als „ein Instrument zur Selbstermächtigung“ und „wirtschaftlicher Unabhängigkeit“.

Doch es geht noch um mehr: „Finanzielle Bildung ist auch eine Frage der Chancengleichheit“, betont Bundesfamilienministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Denn obgleich die Finanzkompetenz generell nicht so gut ist, fallen einige Bevölkerungsgruppen durch größere Wissenslücken auf, wie eine aktuelle Studie der Finanzaufsicht BaFin zeigt. Demnach wissen Menschen mit geringerer Schulbildung tendenziell auch weniger über wirtschaftliche und finanzielle Zusammenhänge, ebenso sind Frauen durchschnittlich öfter bei diesen Themen überfragt. Gruppen also, die es ohnehin oft schwerer haben und die eine gute Finanzbildung am nötigsten brauchen, um nicht abgehängt zu werden.

Eigenvorsorge setzt informierte Verbraucher voraus

Je besser die Menschen Bescheid wissen, desto besser können sie die Folgen ihres Handelns abschätzen. Unwissenheit dagegen kann nicht nur zu irrationalen Entscheidungen führen, sondern auch dazu, dass Menschen untätig bleiben – mit fatalen Folgen. Das zeigt sich beispielsweise bei der privaten Haftpflichtversicherung, die zwar als existenziell gilt, die dennoch knapp ein Fünftel der Haushalte hierzulande nicht besitzt. Sie riskieren damit im schlimmsten Fall ihre wirtschaftliche Existenz.

Eine bessere Finanzbildung sowie verständlichere Informationen könnten viel bewirken. Denn das ist auch eine wichtige Erkenntnis aus der Verhaltensökonomie: Je aufwendiger es für die Menschen ist, Informationen zu beschaffen und sich zu entscheiden, desto schneller fühlen sie sich überfordert und desto eher resignieren sie. Deshalb ist auch die neue digitale Rentenübersicht so wichtig. Der öffentliche Testbetrieb startet in diesem Sommer. Über das Online-Portal können sich die Bürger künftig einen einfachen Überblick über ihre Versorgungsansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, betrieblicher Altersversorgung und privater Altersvorsorge verschaffen.

Neue Finanzbildungsplattform geplant

Um bessere Informationen geht es auch in der Finanzbildungsstrategie: Die Politik will beispielsweise eine neue zentrale Finanzbildungsplattform aufbauen, die Info-Angebote bündeln und diese für die Bedürfnisse unterschiedlicher Altersgruppen bereitstellen soll. Denn Jugendliche brauchen eine andere Ansprache und Schulungsmaterialien als Ältere. Gleichzeitig sollen Forschungseinrichtungen mehr Mittel bekommen, um zielgruppenorientierte Bildungsangebote zu entwickeln.

Berufsschullehrer Kührt findet die Ideen „prinzipiell gut“. Schneller wäre es aus seiner Sicht jedoch, an vorhandenen Initiativen anzusetzen. An vielen Schulen gebe es bereits interessante Unterrichtskonzepte, auch Unternehmen, Stiftungen oder private Initiativen böten gute Materialien an, die sich nutzen ließen. „Wir brauchen in erster Linie an den Schulen pfiffige, methodisch abwechslungsreiche und für einen digitalen Unterricht aufbereitete pädagogische Konzepte“, fordert Kührt.

Pädagogische Konzepte an Schulen nötig

Die stärkere Verankerung ökonomischer Inhalte in der Schule ist auch für die Bundesregierung der wichtigste Hebel für eine bessere Finanzbildung. Dies würden auch die Eltern gutheißen: „80 Prozent der Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder mehr finanzielle Bildung bekommen“, sagt Stark-Watzinger. Das Problem ist nur: Bildungspolitik ist Ländersache, und nur in wenigen Bundesländern steht Finanzunterricht aktuell auf dem Stundenplan. Einen Einfluss darauf hat der Bund nicht, er kann die Schulen nur ergänzend unterstützen, beispielsweise mit außerschulischen Lernangeboten.

Oder er könnte Kampagnen starten, die auch auf Social Media wirken. Dass sich dort auch andere Finanztrends entwickeln, zeigen die sogenannte Frugalisten. Sie wetteifern um Likes für ihren sparsamen Lebensstil – bei gleichzeitig hoher Sparquote. Ihr ambitioniertes Ziel: mit 40 finanziell ausgesorgt zu haben. Eine schönere Vorstellung als offene Rechnungen.

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