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Mehr Mut braucht das Land

Innovation und Transformation in Deutschland: Darum ging es beim GDV-Herbstempfang. In den Diskussionen wird deutlich: Es fehlt gar nicht so sehr am Know-how. Nötig ist vor allem eine andere Mentalität.

Karsten Röbisch (© Christian Kruppa / GDV)
Karsten Röbisch
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Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet oft nicht das Talent oder die Technik, es kommt vielmehr auf die richtige Einstellung an. Das ist in der Wirtschaft nicht anders als im Sport. „Mut und Anpassungsvermögen sind seit jeher Bedingungsfaktoren für wirtschaftlichen Erfolg“, sagte Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) am Donnerstag auf dem Herbstempfang des Verbandes in Berlin. 

Bilder von der Veranstaltung finden Sie hier.

Doch gerade mit Blick auf die großen Herausforderungen der Zukunft – wie etwa die digitale Transformation – fehle es hierzulande an der richtigen Mentalität, wie Rollinger beklagte. Vom Pioniergeist, den Deutschland über Jahrzehnte ausgezeichnet habe, sei jedenfalls nicht mehr viel zu spüren. Bei der Digitalisierung käme Deutschland fast schon traditionell nur langsam voran. Dies müsse sich ändern, wenn es seine ökonomische Position in der Welt behaupten wolle. „Mehr denn je wird der Wandel von digitalen Technologien bestimmt, in denen andere Länder führend sind“, mahnte der GDV-Präsident. 

Vollkasko-Mentalität in Deutschland

Es ist nach Ansicht von Marcel Fratzscher eine Art Vollkaskomentalität, die hierzulande die Transformation bisweilen behindert. „Wir haben in Deutschland die Wahrnehmung, dass Risiken etwas Negatives sind. Wir kommen aber nur voran, wenn wir Risiken eingehen“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Heißt: Ohne Risiken, kein Fortschritt. Mutlosigkeit bedeutet Stillstand.  

Dass Menschen neuen Technologien skeptisch begegnen, sei durchaus verständlich, betonte Mark Klein, Chief Digital Officer der Ergo Group. Ein Beispiel sei Künstliche Intelligenz, die bei einigen die Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes auslöse. „Wir müssen deshalb das Thema der kulturellen Transformation ernst nehmen“, sagte Klein. Es gehe um eine Entmystifizierung der Technologie; darum, Vorbehalte abzubauen. Denn Angst sei auch in Unternehmen der größte Hinderungsgrund, warum bestimmte Technologien am Ende nicht eingesetzt würden. Die Unternehmen müssten die Chancen der Digitalisierung jedoch nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Risikobereitschaft hängt auch von den Rahmenbedingungen ab

Für DIW-Chef Fratzscher ist ein höheres Maß an Risikobereitschaft aber nicht nur eine Frage der Einstellung oder der Unternehmenskultur, sondern auch der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Und an der Stelle sei die Politik gefordert: „Wir brauchen mehr Deregulierung. Wir müssen Innovationen mehr Platz und Raum geben, um die Transformation hinzubekommen“, sagte Fratzscher. Deutschland sei sehr bedacht auf hohe Standards, stehe sich damit allerdings oft selbst im Weg. „So werden wir den globalen Wettbewerb verlieren, weil andere Länder niedrigere Standards haben“, mahnte der Ökonom. 

„Die Zuversicht ist uns allen etwas abhandengekommen“, räumte auch Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) ein. „Wir haben uns verheddert. Wir brauchen mehr Tempo.“ Der Deutschland-Pakt sei die Antwort auf die strukturellen Herausforderungen. Damit will die Bundesregierung Genehmigungsverfahren für den Infrastrukturausbau beschleunigen, den Fachkräftemangel begegnen und die Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben. 

Ohne funktionierende Verwaltung kein Vertrauen in den Staat

Vom Funktionieren staatlicher Institutionen hänge letztlich auch das Ansehen der Politik und der Demokratie insgesamt ab, wie Ann Cathrin Riedel betonte. „Ich mache mir große Sorgen, dass Vertrauen in den Staat verloren geht, weil bestimmte Leistungen nicht erbracht werden“, sagte die Geschäftsführerin von NExT – einem Experten-Netzwerk für digitale Transformation. Viele Menschen erlebten tagtäglich die Defizite in der Verwaltung, sei es wenn es um die Beantragung eines neuen Personalausweises gehe oder die Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung, die zu lange auf sich warten lassen. 

„Mutig sein und Verantwortung übernehmen“, hält auch Claudia Müller für Grundvoraussetzungen für das Gelingen der Transformation. Die Gründerin des Female Finance Forum hob auch die Bedeutung digitaler Tools für die Vermittlung von Finanzwissen hervor. Den Menschen werden Eigenverantwortung in der Altersvorsorge übergeben, ohne sie ausreichend zu informieren.

Für die Politologin Stefanie Babst bedeutet Mut noch etwas anders: Nämlich gängige Meinungen permanent infrage zu stellen. Das gelte für die Politik, aber auch die Wirtschaft. „Ich halte es in Unternehmen für wichtig, dass es Teams gibt, die die allgemeinen Annahmen immer wieder hinterfragen“, sagte die ehemalige Leiterin des Strategiestabs der NATO. 

Denn darin liegt letztlich auch die Gefahr eines allzu forschen, unüberlegten Handelns: Es kann in die falsche Richtung führen. 

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