COP16 in Cali: Globale Biodiversitätsziele durch Finanzierungsprobleme unter Druck
Trotz einiger Fortschritte gab es auf der 16. UN-Biodiversitätskonferenz (COP16) in Cali keine Einigung bei offenen Finanzierungsfragen. Umweltorganisationen und Experten warnen vor fehlenden Mitteln, die notwendig sind, um die ambitionierten Biodiversitätsziele zu erreichen.
Der Verlust der Biodiversität ist neben dem Klimawandel eine der größten globalen Herausforderungen für die heutige Gesellschaft und Wirtschaft. Die fortschreitende Zerstörung von Ökosystemen sowie das Aussterben von Arten hat irreversible Folgen und bedroht unsere natürlichen und wirtschaftlichen Lebensgrundlagen. Das Weltwirtschaftsforum warnt, dass 44 Billionen US-Dollar der globalen Wertschöpfung – mehr als die Hälfte der globalen Wertschöpfung – von der Natur abhängen.
Finanzierungsengpässe und Verzögerungen erschweren Umsetzung des GBF
Die Umsetzung und Finanzierung des globalen Biodiversitätsrahmens (Global Biodiversity Framework, GBF) stand dieses Jahr auf der Agenda der COP16 im kolumbianischen Cali. Der GBF wurde auf der COP15 im Jahr 2022 in Montreal beschlossen und besteht aus vier übergeordneten Statuszielen und 23 spezifischen Maßnahmen. Zu den wichtigsten Zielen des GBF gehört der Schutz von 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen sowie die Renaturierung stark geschädigter Gebiete bis 2030. Derzeitig stehen weltweit nur 8 Prozent der Meeresflächen und 17 Prozent der Landesflächen unter Schutz.
Die Ziele und Maßnahmen des GBF sind zudem die Basis für die Aufstellung nationaler Biodiversitätsstrategien und Aktionspläne (NBSAPs). Eine erste Bestandsaufnahme zeigt, dass bisher 26 von 196 Vertragsstaaten den GBF in ihre Strategien integriert haben. Der gesamte Finanzierungsbedarf für die Erreichung der Biodiversitätsziele ist enorm und wird teilweise auf bis zu 700 Milliarden US-Dollar jährlich beziffert. Bei der Frage, wie stark die Industrieländer den globalen Süden finanziell unterstützen, gab es bis zuletzt keine Einigung. Von den 20 Milliarden US-Dollar, die bis 2025 jährlich als Transferzahlungen vom globalen Norden in den globalen Süden fließen sollen, fehlen 12 Milliarden US-Dollar. Deutschland hat den globalen Fonds zur Umsetzung des GBF mit zusätzlichen 90 Millionen Euro gestärkt.
Stärkung indigener Gemeinschaften im Biodiversitätsschutz
Während es bei den Finanzierungsfragen keine Einigung gab, erzielte die COP in Cali an anderen Stellen Fortschritte, beispielsweise bei der Verteilung von Erträgen aus digitalen Sequenzinformationen (DSI). DSI sind Daten, die durch die Sequenzierung von biologischen Proben generiert werden und die beispielsweise in der Pharma- und Kosmetikindustrie oder durch Biotechnologieunternehmen zur Entwicklung neuer Produkte Verwendung finden. Ein neuer Fonds, der sogenannte Cali-Fonds, sieht vor, dass Unternehmen, die von DSI profitieren, ab einer bestimmten Größe einen Teil ihres Gewinns (1 Prozent) in diesen Fonds einzahlen.
Die Einnahmen sollen indigene Gemeinschaften und lokale Initiativen (IPLCs) unterstützen, die zur Biodiversitätserhaltung beitragen. Ausgenommen von dieser Regelung sind teilweise akademische und öffentliche Forschungseinrichtungen. Darüber hinaus wurde auf der COP16 beschlossen, ein Gremium zur Stärkung der Interessen indigener Gemeinschaften zu gründen. Da sie 80 Prozent der artenreichsten Lebensräume bewahren, werden indigene Gemeinschaften zunehmend als wichtige Akteure im Artenschutz wahrgenommen.
Bundesregierung hebt Fortschritte hervor, Umweltverbände üben Kritik
Trotz der Herausforderungen betont die Bundesregierung in einer Pressemitteilung die erreichten Fortschritte in Cali. Bundesumweltministerin Steffi Lemke erklärte: „In Cali ist es uns gelungen, einen enormen Schritt zum Schutz unserer Natur voranzukommen (...). Die intensiven Verhandlungen der vergangenen zwei Wochen haben uns aber auch klargemacht, dass noch viel Arbeit vor uns liegt.“ Der WWF bezeichnet das Ergebnis der Konferenz inhaltlich als „durchwachsen“. Greenpeace kritisierte die fehlende Einigung des Biodiversitätsfonds, die am Ende der Konferenz „die Gräben zwischen Industriestaaten und Ländern des globalen Südens tiefer gegraben“ habe.
Strategie und Verordnung: EU setzt Rahmen für Biodiversitätsschutz
Die EU hat die Biodiversitätsziele des GBF in der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 und der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (WVO) integriert. Die WVO verpflichtet EU-Staaten, bis 2030 für mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen Wiederherstellungsmaßnahmen zu ergreifen. Bis 2050 sollen für alle gefährdeten Ökosysteme Maßnahmen ergriffen werden. Dazu müssen die Mitgliedstaaten nationale Pläne mit konkreten Maßnahmen und Finanzierungen vorlegen. Deutschland hat mit der Nationalen Biodiversitätsstrategie 2030 bereits eine Grundlage entwickelt, jedoch steht die endgültige Verabschiedung durch das Bundeskabinett noch aus.
Nach der Konferenz ist vor der Konferenz: Am vergangenen Montag, den 11. November hat in Baku die UN-Klimakonferenz (COP29) begonnen.