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Rente & Vorsorge

Versicherer hadern mit Rentenplänen

Auf dem Insurance Summit des GDV in Berlin gehen Branchenvertreter mit der Rentenpolitik der Bundesregierung ins Gericht. Die Zukunft der Alterssicherung ist nicht die einzige Baustelle für den Sektor. Doch es gibt auch Erfolge zu vermelden.

Karsten Röbisch (© Christian Kruppa / GDV)
Karsten Röbisch
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Die Versicherer beurteilen die vorgelegten Rentenpläne der Bundesregierung kritisch. „Die Folgekosten für den Staatshaushalt sind gewaltig“, sagte Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), am Mittwoch auf dem Insurance Summit des Verbandes in Berlin, bei dem die Rentenpolitik im Fokus stand. Vor allem die jüngeren Generationen würden belastet, sei es über höhere Beiträge oder über höhere Steuern, sagte Rollinger.

Die Bundesregierung hatte jüngst das lang erwartete Rentenpaket II vorgestellt. Damit soll das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent festgeschrieben werden. Gleichzeitig soll ein Kapitalstock aufgebaut werden, beginnend mit 12 Mrd. Euro pro Jahr. Die Erträge daraus sollen helfen, den Beitragssatz zu stabilisieren. Der Schritt sei zwar richtig, komme aber zu spät, so Rollinger: „Schon in den 70er-Jahren, spätestens aber zur Wiedervereinigung hätte man die Gelegenheit für den Systemwechsel nutzen müssen.“ Nichtsdestotrotz wird der Beitragssatz weiter steigen, nach den Prognosen der Regierung von heute 18,6 auf 22,3 Prozent im Jahr 2035.

Betriebsrentenstärkungsgesetz kommt „in den nächsten Tagen“

Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium (BMAS), bezeichnete das Rentenpaket II als „behutsame Korrektur“, damit die Renten auch künftig im Gleichlauf mit den Einkommen steigen. Für die Jüngeren sei es wichtig zu wissen, dass sie im Alter auf ein ansprechendes Leistungsniveau in der gesetzlichen Rente stoßen. Diese Sicherheit sei die Basis für die ergänzende Vorsorge – auch unter Nutzung der Ertragschancen am Kapitalmarkt: „Wir müssen dafür werben, in der ergänzenden Vorsorge mehr ins Risiko zu gehen“, betonte Schmachtenberg. 

Eine Möglichkeit ist das Sozialpartnermodell (SPM), bei dem Arbeitgeber nur noch eine Beitragszusage geben, aber keine Leistungen mehr garantieren. Die Öffnung des SPM auch für nicht-tarifgebundene Unternehmen ist Teil des Betriebsrentenstärkungsgesetz – einem weiteren rentenpolitischen Vorhaben der Bundesregierung. Schmachtenberg kündigte den Gesetzentwurf für die „nächsten Tage“ an und nannte vorab weitere Details. So soll unter anderem die Geringverdienerförderung verbessert und der Bezug von Betriebsrenten bei einer gesetzlichen Teilrente ermöglicht werden. Schmachtenberg rechnet mit einer schnellen Einigung. „Ich glaube nicht, dass das Gesetz innerhalb der Bundesregierung sonderlich strittig ist.“

Ja zu Opt-out ja, nein zur Vorsorgepflicht

GDV-Präsident Rollinger hofft auf weitere Änderungen, die insbesondere die schwache Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) unter kleinen und mittleren Betrieben angehen. „Eine Opt-Out-Option auf Betriebsebene könnte der richtige Schritt sein“, sagte der GDV-Präsident. So könnten Arbeitgeber, so sie denn wollen, Arbeitnehmer automatisch in die bAV einbeziehen – es sei denn, diese stimmen automatisch dagegen.

Eine Vorsorgepflicht, wie sie die CDU in ihrem Grundsatzprogramm verankert hat, findet unter den Versicherern indes keine Zustimmung. „Eine Verpflichtung kann ich mir weder in der betrieblichen noch in der privaten Altersvorsorge vorstellen“, sagte Heinke Conrads, Vorständin bei der Allianz Leben. Den Unternehmen würde damit die Möglichkeit genommen, sich über die bAV auszudifferenzieren. Zudem ändere eine Vorsorgepflicht nichts an dem Problem, dass viele Menschen gar nicht die finanziellen Möglichkeiten hätten, um zu sparen. „Wir brauchen daher insbesondere bessere Fördermöglichkeiten“, so Conrads. 

Lebenslange Leistungen unverzichtbar

Einen Verzicht auf eine verpflichtende Verrentung in der geförderten privaten Altersvorsorge lehnen die Versicherer ebenfalls ab. Den Vorschlag hatte die von der Bundesregierung eingesetzte Fokusgruppe gemacht und sich – gegen das Votum des GDV – mehrheitlich empfohlen, (auch) zeitlich befristete Auszahlungspläne zu erlauben, beispielsweise bis zu einem Alter von 85 Jahren. „Altersvorsorge soll den Lebensstandard sichern, und zwar bis ans Lebensende“, betonte Rollinger. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Menschen ab 85 mit weniger Geld auskommen sollten. „Vielleicht braucht man dann gerade Hilfen im Alltag oder sogar einen Platz im betreuten Wohnen.“ 

Auch die Präsidentin der Gesetzlichen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, äußerte sich kritisch zur Idee eines Auszahlungsplans in der geförderten privaten Altersvorsorge: „Für uns bedeutet Alterssicherung die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos. Wenn ich einen Auszahlungsplan habe, dann ist das keine Alterssicherung mehr“, so Roßbach. 

Der GDV werde sich weiter für werthaltige Garantien und lebenslange Leistungen einsetzen, kündigte Moritz Schumann, stellvertretender GDV-Hauptgeschäftsführer, an. Es sei auf jeden Fall wichtig, dass die Politik die Reform der geförderten privaten Altersvorsorge endlich anpacke: „2024 wird ein entscheidendes Jahr für die Lebensversicherer.“ BMAS-Staatssekretär Schmachtenberg stellte einen Gesetzentwurf für den Herbst in Aussicht.

Klimaprävention weitere Baustelle 

Eine weitere Baustelle neben der Rentenpolitik ist für die Versicherer das Thema Klimafolgenanpassung. GDV-Präsident Rollinger kritisierte Forderungen nach einer Elementarpflichtversicherung als kurzsichtig. „Der Gedanke einer Pflichtversicherung als alleinige Lösung setzt viel zu spät an. Die Menschen wollen ihr Haus nicht überfluten lassen, um es anschließend neu aufbauen zu müssen. Sie wollen, dass es geschützt wird. Aber nur Prävention verhindert Schäden oder mindert deren Höhe“, betonte er. 

Die Versicherer würden weiter für ihr Gesamtkonzept aus Prävention und Klimaanpassung werben, betonte die stellvertretende GDV-Geschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach: „Ich glaube, die Bedeutung von Prävention wird auch in der Politik zunehmend verstanden.“

Erfolge beim Bürokratie-Abbau

Beim Bürokratie-Abbau sind die Versicherer in der Politik bereits erfolgreich mit ihren Positionen durchgedrungen. Götz Treber, Leiter des Kompetenzzentrums Unternehmenssteuerung und Regulierung im GDV, verweis auf die erreichten Erfolge beim Thema Proportionalität. So kommen Versicherer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, künftig automatisch in den Genuss von Vereinfachungen bei der Anwendung des Aufsichtssystems Solvency II.

Der GDV ist damit aber noch nicht vollends zufrieden. „Der Kriterienkatalog ist noch zu eng geschnitten“, sagte Treber. Der Verband werde das Thema auf Wiedervorlage nehmen. „Wir werden auch prüfen, inwieweit die Vereinfachungen auf andere Regulierungsvorhaben übertragen werden können“, so Treber. Als Beispiel nannte er die Nachhaltigkeitsberichterstattung.

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